Deutschland

Der Kaiser lässt grüßen

Das Dürerhaus unterhalb der Nürnberger Burg

Das Dürerhaus unterhalb der Nürnberger Burg

Die Altstadt von Nürnberg ist voller Geschichte und Geschichten  

Im Heilig-Geist-Spital an der Pegnitz befindet sich heute ein Altenheim.

Im Heilig-Geist-Spital an der Pegnitz befindet sich heute ein Altenheim.<br>Fotos: jt, pixelio/Thomas Weick

Zwölf Uhr mittags in Nürnberg. Man kann sicher sein, den Großteil der Stadtbesucher um diese Uhrzeit auf dem Hauptmarkt zu finden, denn man kann hier das Glockenspiel an der Fassade der Frauenkirche bewundern, das so genannte Männleinlaufen. Kirchenstifter Kaiser Karl IV. thront in der Mitte; Herolde, Stadtmusikanten und ein Ausrufer künden hohen Besuch an, indem sie Posaunen heben, trommeln, Glocken schwingen. Und da sind sie auch schon, die sieben Kurfürsten, deutlich kleinere Figuren als der Kaiser, der sie mit einer huldvollen Bewegung seines Zepters begrüßt. Seit 1509 befindet sich das Glockenspiel an dieser Stelle.

Künstliche Fachwerkidylle
Die kleine Aufführung ist der Abschluss unseres Rundgangs durch die Altstadt von Nürnberg. Begonnen haben wir ihn im Handwerkerhof im Süden der 500.000-Einwohner-Stadt. Umrahmt von Türmen und der Mauer der ehemaligen Stadtbefestigung befindet sich hier ein kleines Fachwerkdörfchen mit Läden, in denen Handwerker ihre Kunst ausstellen. Der Hof ist so idyllisch, dass man erst beim zweiten Blick bemerkt, dass die Häuschen nicht alt sind. Sie wurden 1971 zum 500. Geburtstag Dürers angelegt – und blieben bis heute.

So wie hier im Handwerkerhof wurden in Nürnberg viele Lücken geschlossen. Die Stadt wurde im Zweiten Weltkrieg zu 90 Prozent zerstört. Doch wo in anderen Städten in den 50er und 60er Jahren oft ohne Rücksicht auf das ursprüngliche Stadtbild wieder aufgebaut wurde, hatten die Nürnberger sich an strengste Auflagen zu halten. Die Straßenverläufe wurden beibehalten, Größe, Höhe und Dachneigung der Häuser mussten den Vorgängerbauten entsprechen.

Läuft man vorbei an der riesigen Mauthalle, die vom Reichtum des mittelalterlichen Nürnberg als Handelsstadt zeugt, durch die Fußgängerzone in Richtung Hauptmarkt, gelangt man zur Lorenzkirche. Sie wurde Mitte des 13. Jahrhunderts im gotischen Stil erbaut. Nach dem Krieg standen nur noch die beiden Türme und die Westfassade. Das bekannteste Kunstwerk, der Engelsgruß von Veit Stoß aus dem Jahr 1518, eine Schnitzarbeit aus Lindenholz, wurde verschont. Die Nürnberger hatten es bereits am 4. September 1939, am ersten Werktag nach Ausbruch des Krieges, in Sicherheit gebracht – in die Felsengänge, die sich durch den Berg unter der Kaiserburg ziehen. Angelegt als kühle Aufbewahrungsorte für das Bier der ortsansässigen Brauereien, ziehen sie sich teilweise auf vier Ebenen durch den Sandstein.

Das Kopfsteinpflaster führt uns bergab zur Pegnitz. Rechts sieht man das über den Fluss gebaute, vom Reichsschultheiß Konrad Groß 1330 für die Alten und Kranken gestiftete Heilig-Geist-Spital, das noch heute ein Altenheim beherbergt. Linker Hand befindet sich die Fleischbrücke, deren kühner Schwung der venezianischen Rialto-Brücke nachempfunden ist – ein Indiz für die guten Handelsbeziehungen der fränkischen Stadt nach Italien.

Wir überqueren den Hauptmarkt mit der Frauenkirche und dem Glockenspiel, auf dem täglich außer sonntags ein farbenfroher Obst- und Gemüsemarkt zum Einkaufen verleitet. Es ist auch der Platz, wo seit 400 Jahren im Dezember der berühmte Christkindlesmarkt stattfindet.

Zu Gast im Dürer-Haus
Vorbei an Nürnbergs drei Rathäusern – einem gotischen Saalbau, einem Hochrenaissance-Bau nach dem Vorbild florentinischer Palazzi und einem modernen Gebäude aus den 50er Jahren – geht es in Richtung Burg. Vorher legen wir noch einen Stopp im Albrecht-Dürer-Haus ein. In dem Fachwerkhaus aus dem Jahr 1420 lebte der berühmteste Sohn der Stadt von 1509 bis zu seinem Tod im Jahr 1528. Man kann eine Maler- und Druckwerkstatt aus der Dürer-Zeit besuchen, in der Kunsttechniken gezeigt werden.

Nun geht es steil bergauf zur Burg, die sich hoch über der Stadt auf ihrem Sandsteinfelsen breitmacht. Sie zählt zu den bedeutendsten Kaiserpfalzen in Deutschland, von 1050 bis 1571 residierten hier zeitweise die deutschen Kaiser. Von hier bietet sich ein Blick über die Altstadt mit ihren Kirchen und spitzen Schindeldächern. In der Ferne, außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer, sieht man das Reichsparteitagsgelände. Hitler hatte Nürnberg bewusst gewählt – über 500 Jahre hatten in der Stadt immer wieder Reichstage stattgefunden, und Hitler wollte an die Tradition anknüpfen. Und so ist die Achse der Aufmarschstraße genau auf die Burg ausgerichtet. Seit 2001 befindet sich auf dem Reichsparteitagsgelände ein Dokumentationszentrum zum NS-Regime.

Lässt man die Aussichtsterrasse hinter sich, ist man wieder im Mittelalter. Durch den Burggarten schlendern wir bergab zum Hauptmarkt – Kaiser und Kurfürsten warten schon auf uns.
Julia Treuherz
Anzeige