Spanien

Mallorca: 50 Anker pro Nacht

Maximal 50 Segler und Yachten dürfen nach Voranmeldung über Nacht bleiben: die Bucht von Es Port. Foto: hs

Auf der unbekannten Schwesterinsel Cabrera

José Reyes Ferré überlegt kurz. Ob er eine Lieblings-Bar auf dieser Insel habe? Er streicht sich mit der rechten Hand über die Stoppeln des Drei-Tage-Bartes, macht schließlich eine halbe Drehung und zeigt auf die überdachte Veranda mit den vier Tischen und dem Schankraum dahinter. „Diese da“, sagt er. „Die ohne Namen. Die Bar von Cati. Weil das Bier kühl ist und die Schinkenbrote und die Oliven lecker sind. Und weil der Blick von dort aus auf diese stille Bucht unbezahlbar ist.“ Er grinst, denn am Ende fiel die Entscheidung leicht: Es ist die einzige Bar von Es Port, die einzige Versorgungsmöglichkeit für Fremde in dem 42-Einwohner-Ort zweieinhalb Bootsstunden von Palma de Mallorca, sogar die einzige auf der ganzen Insel Cabrera.

Im gesamten Archipel mit seinen 17 Eilanden gibt es fast keine Autos und gar keine Leuchtreklame, kein Hotel. Es gibt nur die dreißig Ranger, Naturschützer und Feuerwehrleute der Nationalparkbehörde, drei Polizisten, die Familie um Joan und seine Schafe – und Wirtin Cati. Besuch kommt nur tagsüber nach Cabrera, wenn gegen zehn das erste Ausflugsschiff aus Colonia de Sant Jordi auf Mallorca festmacht – und spätestens nachmittags um fünf wieder ablegt.

Der gesamte Archipel war fast ein Jahrhundert lang militärisches Sperrgebiet. Die Soldaten sind inzwischen abgezogen, und seit einigen Jahren ist die Inselgruppe mit ihren gut 13 Quadratkilometern Landfläche Nationalpark. Urbanisierung ist strikt ausgeschlossen.

Besucher dürfen nur bei Tag kommen, nicht über Nacht bleiben – es sei denn, sie befinden sich an Bord eines Schiffes und haben in der weit geschwungenen Bucht von Es Port unterhalb der Festung aus dem 14. Jahrhundert Anker geworfen. Bis zu 50 Boote dürfen zeitgleich in der Bucht liegen, dies aber nur nach Voranmeldung bei der Nationalparkbehörde in Palma: Yachtvercharterer verdienen gut am steigenden Interesse an solcherlei Übernachtungen auf Cabrera.

Und auch im Bereich der Tagesausflügler hat sich etwas getan: Nachdem lange nur die Reederei Mar Cabrera mit ihren Ausflugsbooten fuhr, hat sich jetzt auch der Speedboat-Anbieter Cabrera Excursion etabliert, der die Inselgruppe von Colonia de Sant Jordi aus mit Schnellbooten mit Platz für zwölf Gäste in weniger als 15 Minuten erreicht. Anders als die Konkurrenz umrunden die schnellen Zodiacs die Hauptinsel Cabrera komplett und fahren in versteckte Buchten hinein.

Vorstellen kann sich heute niemand mehr, dass es in den 1950er Jahren genehmigte Pläne des Baukonzerns Marsans gab, Cabrera touristisch zu erschließen. Damals war ein Yachthafen mit angeschlossenem Einkaufszentrum vorgesehen, dazu Hotels mit insgesamt 3.000 Zimmern auf der Hauptinsel. Nichts davon wurde umgesetzt.
Helge Sobik
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