Griechenland

Die wahre Heimat von Alexis Sorbas

Kahle Bergrücken, blaue Buchten: Der mittlere der drei südlichen „Finger“ des Peloponnes ist die Mani.

Traumbuchten und Wehrtürme – die Halbinsel Mani des Peloponnes

Ein verlassenes maniotisches Dorf: Jedes Haus wirkt wie eine kleine Festung. Fotos: Volker Innig/www.pixelio.de

Der mittlere der drei südlichen "Finger" des Peloponnes ist die Mani. Bis hierher dehnte sich einst das antike Sparta, als dessen Nachfahren sich die Manioten noch heute verstehen. Kampfesmut und Freiheitsdurst ihrer Bewohner prägten die Geschichte dieser Halbinsel. Südlich von Kalamata, in der "äußeren" Mani, ist das Land fruchtbar und grün. Ölivenbäume flirren im Wind, wechseln sich ab mit Zypressen, Eukalyptus, Orangenhainen und teilweise dichtem Laubwald.

Kambos, das erste der typisch maniotischen Dörfer, grüßt schon aus der Ferne mit seinen Wehrtürmen. Jedes Haus wirkt wie eine kleine Festung, die Türme bis zu fünf oder sechs Geschosse hoch, mit Fenstern wie Schießscharten und ursprünglich ohne Tür - man fand mit Strickleitern Einlass. Jahrhundertelang dauerten die Blutrachefehden um eine missachtete Ackergrenze oder ein ehrverletzendes Wort zwischen den Familien.

"Das Dorf glich keinem anderen, das ich in Griechenland gesehen hatte. Die Häuser, kleinen Burgen ähnlich, aus hellem Stein erbaut mit mittelalterlichen Pfefferstreuertürmchen, wurden von einer schönen Kirche überragt. Die Berge fielen bis fast ans Ufer steil ab ..." So beschrieb der britische Autor Patrick Leigh Fermor vor fast fünfzig Jahren das Dorf Kardamili. Entlang der Hauptstraße mit den altehrwürdigen Bruchsteinhäusern reihen sich Post und Apotheke, Tavernen und Touristenläden.

Einfache Pisten führen südlich von Kardamili in die Gebirgsdörfer Proastio und Exochori. Von hier aus lassen sich Wanderungen in den Taigetos machen. Verlassene Weiler, mannshoher Farn, Walnussbäume und Kastanien, schließlich saftige Bergwiesen mit Frühlingsblumen und klaren Bächen lohnen die Tour. Der Kalogria-Strand in Stoupa ist eine glasklare Traumbucht mit blendend heller Sandsichel im Schatten von Pinien und Eukalyptus. Eine Büste oberhalb des Strandes erinnert an Nikos Kazantzakis, der hier seinen Roman "Alexis Sorbas" schrieb. Von 1917 bis 18 lebte Kazantzakis in der Kalogria-Bucht, sein kretischer Held war in Wirklichkeit ein Maniote.

Kazantzakis siedelte den Roman jedoch aus Diskretion gegenüber den Beteiligten der Liebesgeschichte auf Kreta an. Angesichts des Maniotischen Temperaments und der auch in Liebeshändeln gern angewandten Vendetta ein verständlicher Entschluss. Stoupa, das vor einer Generation noch nicht nicht einmal auf der Landkarte zu finden war, hat sich heute touristisch gerüstet. Einige Hotels und etliche Privatpensionen bieten einfache Zimmer in unmittelbarer Nähe der beiden Strände.

Weiter nach Süden hin, hinter dem hitzebrütenden Städtchen Areopolis, verkarstet die Landschaft. Die nackte Steinwüste der "inneren" Mani beginnt. Es gibt keinerlei natürliche Quellen mehr. Regenwasser wird in Zisternen gesammelt, denn der poröse Kalkboden lässt jeden Guss in Windeseile versickern. Bei Pirgos Dirou hat die Erosion des weichen Gesteins ein gewaltiges Höhlensystem geschaffen. Auf unterirdischen Seen kann man mit dem Boot durch die Fantasieskulpturen der Tropfsteine gleiten. "Landeinwärts begannen die goldenen Türme von fünf, sechs Dörfern ihre Pfahlschatten schräg über die Berge zu werfen. Die Küste stieg an und fiel nach Westen hin ab, wo das Meer in Flammen stand", berichtet Fermor in seinem Klassiker "Mani".

Nichts hat sich seither geändert. Ob in Kita, in Nomia oder in Vathia: Überall erheben sich majestätisch die mittelalterlichen Wehrtürme, und in der Ferne glänzt das Meer in der Abendsonne wie flüssiges Gold. Kein Baum, kein Strauch, außer den stachligen Löffeln der Kaktusfeigen, mildert den archaisch-strengen Eindruck der Turmburgen vor kahlen Bergrücken.
Claudia Diemar
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