Griechenland

Kreta: Bleibt alles anders

Fassaden im Nachmittagslicht in der hübschen Altstadt von Rethymno

Kreta: Auf der Insel ist die Dankbarkeit spürbar, dass endlich die ersten Touristen zurückkehren

So leer wie jetzt wird man den Palast von Knossos wohl nur selten sehen

Postkartenmotiv am Fischerhafen von Rethymno. Fotos: sl

Ausgerechnet das kretische Olivenöl (das, wie alle auf Kreta wissen, das beste der Welt ist), könnte Giorgos Serlis am Ende das Genick brechen. Serlis betreibt im Altstadtgewirr von Rethymno einen Touristenshop. Salatbesteck aus Olivenholz, Kühlschrankmagneten und andere nützliche und weniger nützliche Dinge ge‧hören zum Sortiment. Und eben Olivenöl. „Ich wünschte, ich hätte das Öl Anfang des Jahres aus dem Sortiment genommen“, sagt Serlis. „Und die Baklava gleich dazu.“

Der Grund: In der Corona-Krise zahlte die griechische Regierung den Touristenläden eine kleine Unterstützung. Denn wo durch den Ausfall der Besucher keine Einnahmen sind, wird es schwierig, die Miete und andere Kosten zu decken. Gute Sache, findet auch der Ladeninhaber. Eigentlich. „Doch als Verkäufer von Olivenöl und Süßgebäck wurde ich als Lebensmittelhändler eingestuft, hätte theoretisch öffnen dürfen – und bekam: nichts.“

Solche Geschichten hört man auf Kreta überall. Die Reiseführerin, die auf ihr staatliches Hilfsgeld wartet, der Restaurantbesitzer, der nicht weiß, ob es sich lohnt, den Betrieb zu öffnen, der Kellner, der den wenigen Gästen, die sich im Lokal nebenan niederlassen, zuruft: „Next time to me, okay?“.

50 Prozent der Inseleinnahmen stammen laut dem kretischen Tourismusbeauftragten Kyriakos Kotsoglou aus dem Tourismus. In diesem Jahr erwartet er einen Rückgang der Einnahmen um 45 Prozent. „Alle vorigen Krisen waren im Vergleich zu Corona ein Witz. Ein absoluter Witz!"

Was man aber auch hört, ist der Stolz, gesundheitlich bislang relativ glimpflich durch die Pandemie gekommen zu sein. Dank eines monatelangen Lockdowns gab es in Griechenland nur rund 3.500 Infektionen mit dem Coronavirus, auf Kreta waren es gar nur 19. Und so richten die Inselbewohner ihren Blick nach vorne. Seit Anfang Juli dürfen Touristen kommen – und die Bedingungen, die sie vorfinden, sind so gut wie wohl schon lange nicht.

Auf dem Parkplatz vor den Ruinen des Palastes von Knossos steht nur eine Handvoll Reisebusse, in normalen Jahren sind es an die Hundert. Man kann in aller Ruhe durch die Überreste der 4.000 Jahre alten Anlage schlendern. „Machen Sie Fotos!“, rät Reiseführerin Ritsa Moulianaki, „Normalerweise wimmelt es hier von Menschen, da sieht man von den Ruinen fast nichts.“

Das gleiche Bild bietet sich in den sonst ebenfalls rappelvollen Altstadtgassen und an der Hafenpromenade von Rethymno: wenige Menschen und Gastgeber, denen man anmerkt, wie dankbar sie sind, wieder arbeiten zu dürfen. Fast hat man ein schlechtes Gewissen, den Raki aufs Haus anzunehmen. „Trinken Sie! Und erzählen Sie allen Leuten in Deutschland, dass sie herkommen sollen!“

Das soll hiermit geschehen. Denn der Himmel über Kreta ist immer noch genauso blau, das Mittelmeer genauso warm. Auf den Liegen am Strand kann man sich seinen Platz aussuchen, ebenso im Restaurant. Und die Menschen sind noch einen Tick herzlicher, als sie es ohnehin schon immer waren.

Susanne Layh
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