Reisevertrieb

Reisebüro-Demos: „Wir kämpfen weiter"

Am Mittwoch werden rund 1.000 Touristiker zu einer Demonstration in Berlin erwartet

Am Mittwoch werden rund 1.000 Touristiker zu einer Demonstration in Berlin erwartet. Fotos: privat

Anke Mingerzahn, Reisebüro-Inhaberin, ist im regen Austausch mit der Politik

Anke Mingerzahn, Reisebüro-Inhaberin, ist im regen Austausch mit der Politik

Anke Mingerzahn vom Merkur-Urlaubscenter in Gebesee in Thüringen ist Mitbegründerin des Aktionsbündnisses „Rettet die Reisebüros rettet die Touristik". Im Interview mit touristik aktuell erklärt die engagierte Reisebüro-Inhaberin ihre Sicht zum Konjunkturpaket, wie die nächste Großdemonstration in Berlin verlaufen soll und warum jeder Touristiker dort mitmachen sollte.

Frau Mingerzahn, wie ist Ihre Einschätzung zum geplanten Konjunkturpaket?
Erst einmal ist es schön, dass es recht schnell aufgelegt wurde. Die entscheidende Frage aber ist, ob es für uns Touristiker ausreicht. Und genau das denke ich nicht. Die Hilfen sind zum Sterben zu viel und zum Überleben des Reisebüros zu wenig.

Deshalb hat Ihr Bündnis auch einen neuen Forderungskatalog aufgelegt. Wie sieht dieser aus?
Zur Rettung der Reisebranche fordern wir eine Nacharbeitung oder auch Anpassung von Punkt 13 des Konjunkturpakets. Er bezieht sich auf die Überbrückungshilfe. Wir fordern eine Aufhebung der Deckelung von 9.000 Euro und 15.000 Euro sowie die Übernahme der fixen Betriebskosten inklusive der Personalkosten.

Noch etwas?
Ja, die Anhebung der maximalen Erstattung von 80 auf 90 Prozent beziehungsweise 100 Prozent bei Nachweis von Umsatzrückgängen größer 90 beziehungsweise 100 Prozent. Wichtig ist auch die Verlängerung des Erstattungszeitraumes von drei Monaten auf sieben Monate (Juni bis Dezember). Und zeitnah muss es einen zweiten Rettungsfonds für die Rückzahlung von Kundengeldern und Provisionen stornierter Reiseleistungen geben.

Manche Ihrer Kollegen fordern zudem die Übernahme eines Unternehmerlohns.
Ja, das ist mir bekannt. Dies ist in meinen Augen jedoch unrealistisch. Man muss bei den Forderungen realistisch bleiben.

Wie kommunizieren Sie Ihre Forderungen an die Politik?
Wir sind unheimlich fleißig. In fast allen Bundesländern haben viele Kollegen Termine mit Bundespolitikern. Sie stehen in ständigem Austausch. Und die Politiker sind interessiert, wollen Reisebüro-Umsatzzahlen, stellen Rückfragen. Wir zeigen auch auf, welche Steuerverluste dem Bund und den Kommunen drohen, falls eine Reisebüro-Pleitewellen über Deutschland hinwegrollt.

Sind Sie selbst im Austausch mit der Politik?
Ja, ich habe den SPD-Parteivorstand kontaktiert. Nach zwei Tagen erhielt ich eine Antwort.

Was kam zurück? Ein Standardschreiben?
Nein, die Antwort kam aus dem Referat nachhaltige Wirtschaft. Ich wurde um eine Telefonnummer für einen Rückruf gebeten. Zudem wurde nach dem Ablaufplan der kommenden Demonstration in Berlin gefragt. Der Austausch funktioniert.

Apropos Demonstration. Am Mittwoch ist es wieder soweit. Was ist geplant?
Wir starten um 11 Uhr an der Galeria Kaufhof am Alexanderplatz und ziehen bis zum Brandenburger Tor. Im Anschluss ist eine Kundgebung vor dem Bundestag geplant.

Wie viele Teilnehmer erwarten Sie?
Es gibt keine Begrenzung der Teilnehmer mehr. Ich erwarte rund 1.000 Touristiker. Alles darüber hinaus würde mich sehr freuen.

Ist das Interesse der Reiseverkäufer an den Protesten noch vorhanden oder gibt es eine gewisse Demo-Müdigkeit?
Sicherlich sind einige Teilnehmer früherer Demonstrationen enttäuscht. Die Ergebnisse waren mager, viele Protestler wurden gar nicht gehört. Die enttäuschten Kollegen müssen wir aber wieder aufrütteln. Allgemein ist das Interesse weiterhin groß. Mittlerweile unterstützen uns auch einige große Veranstalter. Sie wollen vor Ort dabei sein und das freut uns. Wir räumen den Veranstaltern auch gerne Redezeiten ein.

Sie wollen also noch mehr Veranstalter auf den Demos sehen?
Ja, definitiv. Ich appelliere an alle Veranstalter, auch an TUI. Wir sitzen alle im selben Boot. Die Reisebüros können nicht ohne die Veranstalter und diese nicht ohne uns. Zudem fordere ich alle Touristiker wie etwa Reiseleiter, Technikdienstleister und Vertriebsorganisationen auf, mit uns am nächsten Mittwoch zu demonstrieren.

Wie läuft eigentlich das Geschäft in Ihrem Büro derzeit?
Das Geschäft ist zäh. Glücklicherweise sind die Stornierungen rückläufig. Bei den Kreuzfahrten konnten wir 90 Prozent der Buchungen umbuchen. Bei den Schauinsland-Buchungen haben sich viele Kunden auf die freiwilligen Gutschein-Lösungen eingelassen. Es gibt aber natürlich auch Kunden, die ihr Geld zurückhaben wollen.

Und Neubuchungen?
Die gibt es vereinzelt. Unter den Urlaubszielen wird derzeit häufig Griechenland, Mallorca, Ägypten und auch die Türkei nachgefragt.

Was gibt Ihnen eigentlich noch die Kraft weiterzukämpfen?
Je mehr Ablehnung ich erfahre, desto stärker kämpfe ich. Was bleibt mir auch anderes übrig? Das Reisebüro ist meine Altersvorsorge.

 
Arne Hübner
Anzeige