Deutschland

Usedom bewegt

Die Seebrücke von Ahlbeck, eröffnet 1898, gilt als die älteste von Deutschland.

Ostsee: Mit neuen Angeboten will Deutschlands zweitgrößte Insel Aktivurlauber animieren

Was am Mittelmeer die Sonnenschirme, sind auf Usedom die Strandkörbe. Fotos: pa, UTG

Bert Balke radelt vorneweg, das Tempo ist gemütlich, die Landschaft lässt sich fabelhaft genießen. Um einer Gruppe von Journalisten seine Insel zu zeigen, leitet der Geschäftsführer der Usedom Tourismus GmbH (UTG) schon mal selbst eine Radtour. Vom Kaiserbad Bansin fahren wir ins Hinterland, eine liebliche Hügellandschaft mit Wiesen, Buchenwäldern und weiten Feldern. Dazwischen stilles Achterwasser, verschlafene Nester und ein blau-weißes Schild: „Feininger-Tour“.

Seit vergangenem Jahr kann man den Spuren des deutsch-amerikanischen Malers auf einem beschilderten Rundweg über die Ostseeinsel folgen. Die Orte, an denen er seine Motive fand, wurden mit Messingplatten markiert. Lyonel Feininger kam Anfang des 20. Jahrhunderts zur Sommerfrische nach Usedom und soll leidenschaftlicher Rennradfahrer gewesen sein.

Unsere Drahtesel sind eher lahm, aber mit weichem Sattel und breitem Chopper-Lenker bequem wie ein Sofa. Schließlich sollen die Leihräder nicht zur großen „Tour de Usedom“ animieren, sondern zur Gestaltung eines abwechslungsreichen Urlaubs.

„Wer zu uns kommt, will nicht nur am Strand liegen“, sagt Balke. Um diesen Wunsch zu erfüllen, hat der 33-jährige Tourismuswerber bereits das nächste Projekt auf den Weg gebracht: das „Usedom-Rad“, leuchtend gelbe Tourenräder, die man an verschiedenen Orten ausleihen und abgeben kann. In der Testphase wurden 200 Räder in Umlauf gebracht, am Ende sollen es 1.000 sein.

Dass sich die touristischen Dienstleister für gemeinsame Angebote gewinnen lassen, wertet Balke als Erfolg von „entpolitisierten Strukturen“. Als er vor vier Jahren die Geschäftsführung übernahm, habe er „einige dicke Bretter bohren müssen“. Mittlerweile finanziere sich die UTG allein über Dienstleistungen.

Usedom-Urlauber können sich auf einem 150 Kilometer langen Radwegenetz austoben. Besonders gefragt ist der Küstenweg von Peenemünde im Norden bis zu den „3 Kaiserbädern“ Bansin, Heringsdorf und Ahlbeck an der Grenze zu Polen. Wer auf der hügeligen Strecke Puddingwaden verspürt, steigt auf die Bäderbahn um.

Durch das Bädertrio zieht sich eine 8,5 Kilometer lange Strandpromenade, angeblich Rekord in Europa. Auch die Seebrücke in Ahlbeck ist ein Superlativ: Sie wurde 1898 eingeweiht und gilt als älteste Deutschlands. Beim Längenvergleich gewinnt aber die Seebrücke von Heringsdorf mit 500 Metern. Einmal im Jahr werden die Planken zum Catwalk umfunktioniert. Models aus aller Welt stelzen dann über die „Bridge of Fashion“.

Weiterer Werbetrumpf: Mit 1.906 Sonnenstunden jährlich ist Usedom so verwöhnt wie kein anderer Flecken der Bundesrepublik. Darüber hinaus besitzt die Insel mit 14 zertifizierten Wellness-Hotels „die höchste Wellness-Dichte Europas“, so Balke.

Eines der Vorzeigeobjekte ist das Kaiser Spa Hotel Zur Post in Bansin. Der erste Teil des Hotels, das damals Villa Proll hieß, stammt von 1902. Heute gehören 170 Zimmer zu der Vier-Sterne-Anlage, drei Restaurants und ein Wellness-Bereich mit allen Schikanen einer modernen Wohlfühloase: Badelandschaft, Sauna und 19 Räume zum Werkeln an der Body-Baustelle. Vom Heilkreidebad in der Hydromassagewanne bis zur Wellness-Weltreise „Indocéane“ über vier Kontinente reicht die Spa-Menükarte. Der Strand ist 100 Meter entfernt, morgens veranstalten Hotelmitarbeiter dort „Kneippsches Erwachen“ – Wassertreten und leichte Gymnastik.

Die „Badewanne der Berliner“, wie Usedom auch genannt wird, verfügt über 42 Kilometer Sandstrand. Von den 1,2 Millionen Gästen pro Jahr reist lediglich ein Prozent aus dem Ausland an. Allein der Veranstalter Neckermann Reisen bringt 30.000 deutsche Urlauber jährlich auf die 50.000-Einwohner-Insel, die über 29.000 gewerbliche Betten verfügt.

An Sommertagen verwandeln sich Usedoms Strände in ein endloses Strandkorbmeer. In Heringsdorf produziert die älteste Strandkorbmanufaktur, wie Reiseführer Dietrich Gildenhaar erzählt. Was für ihn einen guten Strandkorb ausmacht? „Innenbeleuchtung, Radio und Internet“, scherzt der kundige Herr, der auch das Buch „Kurios – Mondän – Pikant“ über Usedomer Eigenarten geschrieben hat. Zur Geschichte Heringsdorfs kann man Gildenhaar befragen wie ein wandelndes Lexikon: Keine Villa, zu der er nicht eine Anekdote aus dem Gedächtnis schüttelt.

Zwischen den bäderarchitektonischen Perlen mit Giebeln und Säulen stehen auch neue Gebäude wie das Travel Charme Hotel im historisierenden Stil. Im Sommer 2011 folgt mit dem Steigenberger Grandhotel Heringsdorf ein weiteres Kettenhotel, und auch in der Ortsmitte stehen Veränderungen an: Die Gebäude aus DDR-Zeiten sollen in den nächsten Jahren abgerissen werden.

Pilar Aschenbach

Flugs nach Usedom
Flugs nach Usedom kommt man mit den Direktflügen von Air Berlin ab Dortmund, Düsseldorf und Stuttgart. Bis Oktober geht es samstags mit einer 76-sitzigen Maschine auf die Insel. Auch die Ostfriesische Lufttransport GmbH bietet bis Oktober einen wöchentlichen Usedom-Dienst an. Abflughäfen sind Bremen, Köln/Bonn, Frankfurt und (bis Ende September) München.

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