Deutschland

Frankfurt: Mordlust in Mainhattan

Den Eschenheimer Turm ziert eine nachgebildete Wetterfahne mit neun Einschusslöchern. Fotos: cd

Eine Tour der kriminellen Art

So lässt es sich im Knast aushalten: Draußen brütet die Hitze, aber unter den schattigen Arkaden sitzt man in bequemen Sesseln, gabelt Sommersalat mit frischen Pfifferlingen und trinkt einen Riesling dazu. Im schmuck rekonstruierten Barockbau der Frankfurter Hauptwache wird heute niemand mehr unfreiwillig festgesetzt. Das ehemalige Gefängnis ist ein Café & Restaurant und beliebter Treffpunkt in der City.

„Die Hauptwache war einst so etwas wie ein VIP-Gefängnis“, erklärt Sören Appuhn, Stadtführer der Tourismus + Congress GmbH, welche die Tour „Historische Kriminalgeschichte“ in ihrem Programm hat. In der Hauptwache saßen Persönlichkeiten wie der Schinderhannes oder Ratsherr Johann Erasmus Senckenberg ein, ein Bruder des berühmten Naturforschers.

Frankfurt wird gern als Hauptstadt des Verbrechens bezeichnet, da es in den deutschen Kriminalstatistiken stets ganz oben rangiert. Doch die scheinbar unbestechliche Statistik erweist sich als Milchmädchenrechnung. Die Vergehen werden nämlich auf die Einwohnerzahl von derzeit 680.000 umgerechnet. Tagsüber jedoch ist Frankfurt wegen seiner vielen Pendler eine Millionenstadt. In die Statistik gehen ferner die Straftaten am größten Flughafen Kontinentaleuropas ein. Das Bild ist also verzerrt und Mainhattan viel harmloser als gedacht.

Trotzdem ist es spannend, dem Klischee einmal nachzugehen. Denn Mord- und Totschlag hat es in Frankfurt schon immer gegeben und viele Schauplätze liegen mitten in der City. Am Eschenheimer Turm ist bis heute die (nachgebildete) Wetterfahne aufgesteckt, die neun Einschusslöcher aufweist, mit denen ein dort internierter Wilddieb eine Wette mit den Stadtoberen gewann und das Weite suchte, während diese noch auf die Turmspitze starrten. Gleich gegenüber, Ecke Stiftstraße, befindet sich das Haus, in dem Rosemarie Nitribitt ermordet wurde. Die Frankfurter Edeldirne der Wirtschaftswunderzeit empfing ihre Freier in einem Apartment-Haus, dessen Stirnseite heute die riesige Reklame einer Detektei ziert.

Weiter geht es zum Goethehaus und der nicht weit entfernten Stelle, wo die Kindsmörderin Susanna Margaretha Brandt vor den Augen des jungen Dichterfürsten hingerichtet – und als Gretchen im Faust unsterblich wurde. In unmittelbarer Nachbarschaft des Rathauses Römer und quasi unter den Augen der Justitia, die den Gerechtigkeitsbrunnen auf dem Römerberg ziert, wurde der Täter der „Berbermordserie“ im Frühjahr 1990 beobachtet und endlich verhaftet.

Katharinenpforte, Rossmarkt und Paulskirche als weitere prominente Orte des Grauens werden ebenfalls bei der Krimi-Tour passiert. Wer das Thema vertiefen will, kann das Kriminalmuseum im Polizeipräsidium an der Adickesallee besuchen. Kinder unter 14 Jahren haben (aus gutem Grund) keinen Zutritt.

Und weil die Polizei in Frankfurt viel zu tun hat und beeindruckend hohe Aufklärungsraten vorweisen kann, ist die Ausstellung im Keller der Verbrechensbekämpfungszentrale für die Öffentlichkeit nur an Freitagnachmittagen zugänglich. Infos unter www.kmffm.de.
Claudia Diemar
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