Deutschland

Hinken wie der Alte Fritz

König Friedrich II. mit Leib und Seele: Olaf Kappelt vor dem Brandenburger Tor. Foto: privat

Berlin: Olaf Kappelt imitiert auf seinen Stadtführungen König Friedrich II.

Am liebsten posiert er vor dem Brandenburger Tor. Die Touristen knipsen eifrig, wenn er sich in Stellung bringt, die Linke in die Hüfte schiebt und sich mit der anderen Hand auf dem Stock abstützt. Nur, wenn er mit Napoleon verwechselt wird, verzieht er kurz das Gesicht. "Ich bin Friedrich der Große", sagt Olaf Kappelt dann in einem derart überzeugenden Ton, dass sich gar niemand traut, ihn zu belächeln.

Degen und Dreispitz, Perücke und Puder, gelbe Weste, blauroter Mantel und schwarze Stiefel. Der neue Alte Fritz sieht tatsächlich aus wie der echte Alte Fritz. So gewandet führt Kappelt Touristen durch Berlin, zeigt ihnen die Sehenswürdigkeiten, die heute noch von Friedrich dem Großen erzählen.

Die Straßen und Plätze der deutschen Hauptstadt sind Kappelts Bühne. Jede Führung kommt einer Inszenierung gleich. Der Stadtführer ahmt Leiden und Leben des Herrschers bis ins Detail nach, hinkt und hustet sogar wie sein Vorbild, das es auch wegen seiner zahlreichen Krankheiten zu Berühmtheit gebracht hat. Er kennt die Lebensgeschichte des Königs, vom Lieblingsgetränk (Heiße Schokolade) bis zum Tick für Windspiele.

Wer für eineinhalb Stunden zu Kappelts Gästen zählt, kann sich der ganzen Aufmerksamkeit des Berliners sicher sein. Er schneidet seine Führungen sogar auf die Nationalität der Gruppen zu. Das Schweizer Programm beinhaltet zum Beispiel einen Besuch beim "Haus der Schweiz", wo Tells Sohn mit dem Apfel auf dem Kopf jedem Touristen sofort signalisiert, wo er hier gelandet ist. "Es gibt viele Schweizer Spuren in Berlin", so Kappelt. Er muss es wissen, schließlich hat er sich in das Spezialthema so sehr vertieft, dass ein Buch dabei herausgekommen ist: "Als Neuenburg und Valangin noch bei Preußen waren, vor 300 Jahren".

Auch andere Touristen kommen auf ihre Kosten: Im Mittelpunkt der Führungen steht oft der Kampf zwischen Österreich und Preußen um die Vorherrschaft in Europa, ein Streifzug mit Kappelt durch Berlin gleicht dann einem Grundkurs in deutsch-österreichischer Geschichte. Und selbst die Bayern kommen ins Spiel. Friedrich vereitelte nämlich die Pläne der Habsburger, Belgien gegen große Teile des heutigen südlichsten Bundeslandes Deutschlands einzutauschen. Ohne den großen Fritz wäre Bayern im 21. Jahrhundert wahrscheinlich ein Teil Österreichs.

Kappelt ist mittlerweile eine Institution in der deutschen Hauptstadt, man kann ihn sogar über Veranstalter wie Ameropa, Dertour und TUI buchen. Bis zu dreimal am Tag zieht er mit kleinen Gruppen durch die Straßen. Stadtführer gibt es zuhauf in Berlin, mehr als 500. "Aber ich bin der einzige, der das regelmäßig als historische Person macht."

Dabei war die Idee aus der Not geboren. Vor acht Jahren war Kappelt, der Kirchengeschichtler, Philosoph und Sozialpädagoge ist, beim Berliner Arbeitsamt gelandet, wo man ihm sagte: "Wir haben schon so viele arbeitslose Sozialpädagogen, da haben Sie kaum eine Chance." Also ist Kappelt in die Rolle des Alten Fritz geschlüpft. Schon in seiner Kindheit hat er preußische Geschichte eingeatmet: Seine Vorfahren standen in königlich-preußischen Diensten, der Vater hat ihm ständig Geschichten von Friedrich dem Großen erzählt. "Während meine Schulkameraden Karl May lasen, habe ich mir Bücher über Preußens Geschichte zu Gemüte geführt."

Kappelt geht in der Rolle voll auf und die Grenzen zum Privaten sind längst verschwommen: "Ich gehe mit Friedrich ins Bett und stehe mit Friedrich auf." Nur eine Königin habe er noch nicht gefunden. "Aber damit hat sich der Alte Fritz ja auch schwer getan." Weitere Infos gibt es unter www.koenig-friedrich.de.
Christian Schreiber
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