Spanien

Rosen und Romane

Der Brunnen Font Magic war während der Franco-Zeit teilweise außer Betrieb. Im Hintergrund der Palau Nacional.

Eine literarische Tour durch Barcelona

„Der Schatten des Windes“ spielt in der Franco-Zeit. Fotos: cd

Der Passeig de Gracia ist schwarz von Menschen. Und auch auf den Ramblas ist kaum ein Durchkommen mehr. Man könnte meinen, der FC Barcelona hätte erneut die spanische Fußballmeisterschaft gewonnen. Mitnichten!

Sant Jordi, der Schutzheilige der Stadt, hat die Flaneure in Scharen ins Freie gelockt. Denn zum Namenstag des Heiligen Georg am 23. April wird in Barcelona der Liebe und der Lektüre gehuldigt. Damen haben ihren Kavalieren ein Buch zu schenken und bekommen ihrerseits eine Rose. Diese Tradition existiert seit rund 70 Jahren - kurz vor dem Bürgerkrieg erfand die Spanische Republik den Brauch. Inzwischen hat die Unesco das Datum aufgegriffen und zum "Welttag des Buches" erklärt. Doch nirgendwo wird er so gefeiert wie im bibliophilen Barcelona. Rund 30.000 Bücher werden hier jedes Jahr verlegt, davon etwa 8.000 in katalanischer Sprache.

Einer der wichtigsten einheimischen Autoren der Neuzeit ist Carlos Ruiz Zafon, der in seinem Bestseller "Der Schatten des Windes" die Stadt während der Franco-Zeit schildert: Der kleine Daniel wird von seinem Vater zum "Friedhof der Bücher" geführt und soll dort einen Band auswählen. Bald stellt sich heraus, welches Gefahrenpotenzial in der Patenschaft für das Buch liegt. Daniel gerät in einen Strudel von Geheimniskrämerei, Grausamkeit und Gewalt.

Der Streifzug entlang der Schauplätze des Romans führt kreuz und quer durch das gotische Viertel mit nostalgischen Buchläden, winzigen Milch-Bars und mittelalterlichen Toren. Da ist zum Beispiel die "Llibreria Almirall" im Carrer de la Princesa mit ihrer uralten Ladenkasse. Oder die "Llibreria Sant Jordi" mit weiß lackiertem Holzinterieur im Carrer de Ferran. Oder die "Llibreria Canuda" im Carrer de la Canuda. Hier gibt es sogar einen "Friedhof der Bücher": einen Keller voller antiquarischer Schätze.

Und zu Sant Jordi reihen sich auf den Ramblas die Bücherstände. Fünf Prozent Rabatt gibt es zum Festtag des Heiligen Georg. Rund ein Zehntel des Jahresumsatzes an Literatur wird am Namenstag des Drachentöters erzielt. Später führt der Weg zur Placa Neri, deren Mauern noch immer von den Spuren des Bürgerkriegs gekennzeichnet sind. Und hinauf zum Tibidabo mit der "Tram blau", die ihre Route abtourt wie es im Buche steht. Es sind Wege gegen das Vergessen. Sie halten die Erinnerung wach. Denn wie schrieb doch Zafon: "Diese Stadt ist eine Hexe ... Sie setzt sich einem unter der Haut fest und nimmt einem die Seele, ohne dass man es überhaupt merkt."

Literarische Stadtführer können über Icono Serveis Culturals im Web unter www.iconoserveis.com gebucht werden, eine Reservierung ist nötig.
Claudia Diemar
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