Spanien

Wie im Science-Fiction-Film

Futuristische Architektur: die Stadt der Künste und Wissenschaften.

Valencia: Spaniens drittgrößte Stadt ist ein Juwel am Mittelmeer

Die Kathedrale vereint romanische, gotische und barocke Elemente. Fotos: mw, La Liana/pixelio

Die Luft ist erfüllt von süßlich schwerem Orangenduft. Die Obstbäume stehen in weißer Blütenpracht. Die Sonne strahlt vom makellos blauen Himmel. Es ist Ende März. "Eine der schönsten Jahreszeiten in Valencia", sagt der deutsche Sternekoch Bernd Knöller, der das Restaurant Riff in der Nähe des Rathausplatzes führt.

Während im Umland der Mittelmeer-Stadt im Osten Spaniens an der Costa Valencia Orangen auf großen Plantagen angebaut werden, gedeihen die Bäume inmitten der Stadt als Zierpflanze - in den Fußgängerzonen der Altstadt, auf Plätzen, in Parks, im ausgetrockneten Bett des Rio Turia. Wo früher der Fluss über das Ufer trat und für furchtbare Überschwemmungen sorgte, lädt heute auf einer Strecke von zehn Kilometern eine Park- und Architekturlandschaft zum Spazierengehen und Radfahren ein.

Wer zum ersten Mal die in diesem Flussbett errichtete Stadt der Künste und der Wissenschaften sieht, fühlt sich in die Kulisse eines Science-Fiction-Films versetzt. Schneeweiß ist das Gebäudeensemble aus Beton, Stahl und Glas, dazwischen hellblau leuchtende Wasserbecken.

Die eigenwillige, von den organischen Formen der Natur inspirierte Architektur von Santiago Calatrava regt die Fantasie an. In der äußeren Form des Palacio des las Artes, des Opern- und Musikpalastes, erkennen manche einen Wal, andere ein galaktisches Insekt. Das 3D-Kino und Planetarium L'Hemisferic wird "Auge der Weisheit" genannt. Gläserne bewegliche Lider lassen es mal aufgeregt blinzelnd, mal schlafend aussehen.

Seit der Eröffnung des ersten von sieben Bauwerken im Jahr 1998 hat Valencia ein Wahrzeichen des 21. Jahrhunderts. "Es symbolisiert Aufbruch und Modernität und den unbedingten Willen der Stadtväter, aus dem Schatten von Madrid und Barcelona herauszutreten", sagt Knöller.

Der bei Valencia geborene, international bekannte Schriftsteller Rafael Chirbes überschrieb ein Stadtporträt mit dem Titel "Die Ungeliebte". Es ist eine Hommage an diese Mittelmeer-Stadt, deren Reize sowohl von seinen Landsleuten als auch von den Touristen lange ignoriert oder übersehen wurden.

Da ist der breite Stadtstrand Malvarrosa mit feinem Sand und einer langen Promenade, die von Cafés, Restaurants und Hotels gesäumt ist, mit Gebäuden, von denen keins höher als drei Stockwerke ist. Nur 20 Minuten davon mit der U-Bahn entfernt die verschachtelte Altstadt mit ihren weitläufigen Fußgängerzonen, engen Gassen und anmutigen Plätzen.

Knöller kauft frische Zutaten für seine kreative Küche in der Jugendstil-Markthalle des Mercado-Central - einem Juwel der Stadt. Auf der Plaza de la Reina ragt der Miguelete-Kirchtum - das älteste Wahrzeichen Valencias - als Solitär schlank in den Himmel auf. Daneben steht die Kathedrale, die romanische, gotische und barocke Elemente vereint.

Vor dem Aposteltor tritt einmal wöchentlich wohl eines der ungewöhnlichsten und traditionellsten Gerichte der Welt zusammen - das Wassergericht. Jeden Donnerstag um 12 Uhr nehmen acht Richter auf historischen Stühlen mit Ledersitzen Platz und richten über die gerechte Verteilung des Wassers an die Bauern im Umland Valencias.

Die Richter, im Hauptberuf Landwirte, folgen einer aus der maurischen Kultur stammenden Tradition. "Nur selten werden Strafen verhängt, und wenn, direkt vor Ort", sagt Knöller. Noch nicht einmal das Oberste Gericht in Madrid könne ein Urteil des Wassergerichts aufheben.
Michael Winckler
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