Spanien

Wo der Flamenco zu Hause ist

Prachtvoll: Das Wahrzeichen der Stadt, der Giralda-Turm.

Die Mauren, feuriger Tanz und andalusische Gemütlichkeit – das ist Sevilla

Temperamentvoll: Sevilla ist die Wiege des Flamenco. Fotos: Turespana

Jeder einzelne Muskel zeichnet sich auf dem Rücken der Tänzerin ab. Wer denkt: Flamenco, das ist ein bisschen Kastagnetten-Geklapper plus Hüftschwung - in Sevilla wird er eines Besseren belehrt. "Flamenco ist Ausdruckskunst, ein Drama, eine Ekstase der Gefühle", erklärt Maria Serrano. Die 40-Jährige ist bereits in München, Hamburg und New York aufgetreten, zuletzt in der Rolle der "Carmen". Aber zu Hause ist sie im spanischen Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens und der Heimat des Flamenco - wo auch die legendäre Oper von George Bizet um eine Zigarrendreherin spielt.

In Sevilla schlägt das heiße, andalusische Herz Spaniens am feurigsten. Der Flamenco, eine traditionell im 15. Jahrhundert von "gitanos" (Spanisch für: Zigeuner) importierte Kunst hat sich inzwischen verjüngt, sorgt für modernes Entertainment in Bars, Theatern und Museen der Stadt; alle zwei Jahre findet das weltweit bedeutendste Flamenco-Festival statt.

Der Flamenco ist allgegenwärtig, auch in der Mode. Im Flamenco-Viertel rund um den Platz Jesus de la Pasion verkauft die alteingesessene Modeschöpferin Pilar Vera Couture im Flamencostil. Die 60-Jährige verrät, warum die figurbetonten Entwürfe jeder Frau stehen: "Die Volants lenken ab!", sagt sie: "Es ist wie beim bayerischen Dirndl, dafür muss man auch nicht dünn sein." Lässiger geht's in der Boutique "Flamenco" an der Calle Franco zu, die aktuelle Kollektionen spanischer Start-up-Designer anbietet.

In der verwinkelten Altstadt Santa Cruz, die im Ursprung ein jüdisches Viertel ist, überrascht das "Museo del Baile Flamenco" mit einer interaktiven Ausstellung auf drei Etagen. Flamenco live bieten Clubs in Triana, wörtlich übersetzt "am anderen Ufer", entlang der Betis-Straße. Besonders nett: das "Madruga". Schon vom Ambiente her einen Besuch wert sind Flamenco-Auftritte im Teatro Lope de Vega, einem für die Weltausstellung in den 1920er Jahren erbauten Konzerthaus im Jugendstil.

Sevilla ist eben eine Schönheit, die den großen theatralischen Auftritt liebt. Mit rund 700.000 Einwohnern ist die Stadt nach Madrid, Barcelona und Valencia die viertgrößte der iberischen Halbinsel, liegt näher an Marokko als an Madrid, und ist darum mit 3.000 Sonnenstunden pro Jahr die heißeste Ecke Europas. In milden Wintern sitzen Passanten bei 14 bis 18 Grad - notfalls unter Wärmestrahlern - rund um die Kathedrale in stylishen Cafés wie dem Trendhotel Eme, außen Renaissance, innen Purismus. Auf dessen Dachterrasse lässt sich die Kathedrale fast mit den Händen greifen.

Das Temperament Sevillas ist nicht nur in der Musik zu spüren, sondern auch in der Architektur. Vom 9. bis zum 13. Jahrhundert hatten hier die Mauren das Sagen. Selbst der Giralda-Turm der Kathedrale von Sevilla war einmal ein Minarett. Der Alcazar-Palast mit seinen an Versailles erinnernden Gärten, die älteste königliche Residenz Europas, ist von oben bis unten mit Mosaikfliesen verziert.

Ein Vergnügen: eine Stadtrundfahrt in einer Kutsche. Wer lieber läuft, folgt den Schaffensorten unzähliger Komponisten und Künstler auf den gut ausgeschilderten "Don Juan"- oder "Carmen"-Routen. Doch am besten spürt man das Sevilla-Flair bei einem Flamenco-Kurs. Und keine Bange: Die Profis sind auf Anfänger eingestellt.


Andrea Tapper

Flamenco zum Anfassen und Mitmachen
Flamenco-Museum: Museo del Baile Flamenco, www.museoflamenco.com  Flamenco-Kurse: Im Muso del Baile Flamenco, noch authentischer in der Tanzschule des Flamenco-Paars Eduardo Rebollar und Yolanda Lorenzo, www.artesescenicasrebollar.com
Flamenco-Lokalitäten: Madruga, schräger Liveclub, Soul, Rock, Flamenco, manchmal alles zusammen, www.madrugasevilla.es

Anzeige