Spanien

Stille Auszeit im Herzen Palmas

Ausflugstipp: der Zentralfriedhof ...

Der Besuch des Zentralfriedhofs eröffnet ganz neue Perspektiven

... mit seinen Katakomben mitten in Palma. Fotos: hev

Der Besucher bemerkt die Ruhe erst einmal nicht, wenn er durch das Tor des Zentralfriedhofs von Palma geht, den man mit der Buslinie 9 vom Plaza de Espana erreicht (Haltestelle Cemeteri). Rechts ragen hohe Wände empor, in denen die Urnengräber in mehreren Etagen übereinander angeordnet sind. In der Mitte fällt der Blick auf die große Begräbniskirche, die von zahlreichen Einzel- und Reihengräbern umgeben ist; links weiter im Hintergrund bringen sich Familiengruften ins Bild, die wie kleine Kapellen aussehen.

Wohin zuerst gehen? Der Zentralfriedhof in Palma ist kein normaler Ausflugstipp, es gibt keinen Führer und keine Wegweisung – aber dafür jede Menge Stille mitten im Herzen der Stadt. Infoschilder wird der Besucher beim Schlendern vorbei an den Grabstätten auch nicht vermissen, denn die Eindrücke springen ihn wie von selbst an. Hier eine liebevoll geschmückte Grabstätte mit künstlichen Blumen und einigen sehr persönlichen Gegenständen auf dem Stein. Dort eine Urnenstätte, deren verschlossene Treppe zumindest den Blick freigibt auf eine weitere Ruhestätte darunter.

Also dann einfach los ohne Plan. Das Areal ist riesig. Und wer glaubt, schon das Ende erreicht zu haben, wird von weiteren Sehenswürdigkeiten in den Bann gezogen. Überraschungen gibt es hier wie da; neben privaten Gräbern erinnern ganze Bereiche an verdienstvolle Verstorbene der Feuerwehr, der Polizei und des Militärs. Die Waffengattungen Marine, Luftfahrt und Landstreitkräfte haben imposante Bauwerke als Erinnerungsstätte errichtet. Mindestens genauso beeindruckend sind die gewaltigen Familiengräber, die von wohlhabenden Bürgern der Stadt seit Generationen als letzte Ruhestätte genutzt werden.

Die eigentliche Überraschung liegt allerdings unter der Erde. Zunächst sieht man es gar nicht, aber beim Rundgang über die teilweise verwitterten, losen Platten der Gehwege tut sich plötzlich der Blick nach unten auf eine weitere Ebene auf. An vier Stellen kann der Besucher über steinerne Treppen in die Katakomben gelangen. Hier scheint selbst die Luft etwas in die Jahre gekommen zu sein.

Wenn sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt hat, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Nischen für Urnen sind in die Wände eingelassen; die meisten davon sind mit einer Frontplatte aus Stein verschlossen. Neben alten Gräbern scheinen andere wiederum in jüngster Zeit (wieder-)belebt zu sein, wie die Blumen verraten.

Gänzlich ungefährlich ist die Kraxelei über und unter der Erde nicht, denn es soll schon vorgekommen sein, dass Besucher unerwartet durch eines der dann wohl nicht so gut erhaltenen Eisenroste heruntergefallen sind.

Als ziemlich standfest dagegen zeigt sich eine uralte Pinie in der Mitte des Friedhofs. Sie stammt den Angaben der Einheimischen zufolge aus dem Jahr 1926 und hat einen seltenen Ableger. Im riesigen Stamm hat sich wohl vor vielen Jahren der Samen einer Palme eingenistet – und so leben der alte und der jüngere Baum in friedvoller Symbiose miteinander. Was für eine Symbolik.
Hein Vogel
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