Kroatien

Jenseits der Stoßzeit

Ein Rundgang auf der Stadtmauer bietet schöne Ausblicke auf die Altstadt.

Dubrovnik lässt sich im Sommer am besten morgens und abends erkunden

Idyllisch zeigt sich der kleine Hafen vor Ankunft des Besucherstroms. Fotos: Katharina Wieland-Müller/pixelio, stock.xchng

Es ist fast sieben Uhr morgens. Möwen kreischen über dem Wasser, während ein Fischer seine Netze mit einem Wasserschlauch abspritzt. Noch liegt Ruhe über der Altstadt von Dubrovnik. Eine Marktfrau türmt die knallroten Tomaten, die dunkelviolett schimmernden Auberginen zu kunstvollen Gebilden auf. Der Gemüsemarkt auf der Gunduliceva poljana ist nicht das Einzige, für das sich das ‧frühe Aufstehen lohnt. Noch sind sie nicht hier, die Kreuzfahrer, die im Sommer täglich zu Tausenden die Altstadt besuchen.

Ihre Schiffe laufen erst ab 7.30 Uhr ein, und spätestens ab 9.30 Uhr bevölkern sie die Stradun – die „große Straße“. So nennen hier alle die Hauptstraße der Altstadt, die eigentlich Placa heißt. Die Stradun verbindet das Osttor Ploce mit dem Westtor Pile. Das Straßenpflaster glänzt in der Morgensonne. Nicht etwa, weil es geregnet hat. Es glänzt immer so: Millionen Schuhsohlen haben das uralte Pflaster in Hunderten von Jahren blank poliert. Herrlich lässt es sich hier unter den Baldachinen der Cafés und Souvenirläden entlangschlendern.

Ebenso auf der begehbaren alten Stadtmauer, dem wichtigsten Wahrzeichen der Stadt. Das Bollwerk ist an manchen Stellen bis zu zwölf Meter dick. Und alle Dubrovnik-Besucher wollen die Stufen erklimmen, für den rund zwei Kilometer langen Rundgang. Also husch, es ist 8 Uhr, auf zur Stadtmauer. Es lohnt sich, hinter jedem Treppenaufstieg und jedem Durchgang wartet eine neue fantastische Aussicht – die weißen Fischerboote im alten Hafen, die roten ‧Dächer, die Hinterhöfe und Gassen der Altstadt.

Am schönsten ist es jetzt, am frühen Morgen. Dann, wenn die Kreuzfahrtpassagiere noch in den Kojen liegen oder am Frühstückstisch sitzen. Außerdem knallt später die Mittagssonne hier oben unbarmherzig, kein Baum, kein Gebäude, die auf der Mauer Schatten spenden könnten. Die Morgensonne hingegen taucht die Perle der Adria in ein sanftes, roséfarbenes Licht.

Am Onofriobrunnen sitzt ein Straßenmusiker, sein Fuß schlägt den Takt auf dem Straßenpflaster, während er mit raschen Bewegungen den Bogen über seine Lijerica fliegen lässt. Dieses Streichinstrument muss man schnell spielen, der Rhythmus steckt an und bald wippen auch die Füße der Zuschauer im Takt.

Aber dann zieht es mich in die Seitengassen, in denen sich die alte Perle von ihrer malerischsten Seite zeigt. Dort finden sich echte Geheimtipps wie das „Sugar & Spice“: Dubrovniks heimliche Konditorkönigin Gabi Slasticarna backt in diesem knuffigen kleinen Café ihre kreativen Köstlichkeiten. Noch heute träume ich von ‧ihrer leckeren Chili-Schokoladentorte.

Und für die warme Mahlzeit geht es ins Restaurant Rozario, denn ein Dalmatien-Aufenthalt ohne Fisch und Meeresfrüchte geht nicht. Tische zum Draußensitzen stehen auf den Treppenabsätzen der Prijeko-Gasse, sehr romantisch. Und entspannend, besonders ab dem späten Nachmittag, wenn die letzten Kreuzfahrtpassagiere die Altstadt verlassen haben.

Die Sonne geht unter, das Pflaster glänzt im Laternenschein. Spätestens jetzt versteht man, was George Bernard Shaw meinte: „Wer das Paradies auf Erden kennen lernen will, sollte nach Dubrovnik kommen.“
Iris Schaper
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