Griechenland

Wo die Gassen keine Namen haben

Wie übereinandergestapelte Schachteln: Häuser von Skopelos-Stadt. Foto: hs

Ferien auf den Sporaden abseits vom großen Tourismus

Hölzerne Balkone recken sich über die Dächer der weißgetünchten Altstadthäuser an den Hängen von Skopelos-Stadt hinweg in die sternenklare Nacht. Eulen ziehen ihre Bahnen am Himmel. Katzen spielen im Lichtschein der Laternen vor den Haustüren: dort, wo die Gassen keine Namen haben. In der Ferne schillern die letzten Lichter der Tavernen am Hafen. Von irgendwo wehen Strophenfetzen von griechischen Schmacht-Schlagern herüber. Lautestes Geräusch ist das Herunterplumpsen einer Orange vom Baum im kleinen Innenhof.

Ferien in einem restaurierten Altstadthäuschen auf der gerade mal 5.000 Einwohner zählenden Sporadeninsel Skopelos. Mehrmals täglich setzen Fähren und Schnellboote von der Nachbarinsel Skiathos aus über – 45 Minuten Fahrt in eine andere Welt mit wesentlich weniger Tourismus. Skopelos selbst hat keinen Flughafen. Vor den kleinen Altstadthäusern mit ihren blauen Fensterläden, die sich wie aufeinandergestapelte Schachteln den Hang hinaufziehen, sitzen Einheimische beim Plausch zusammen.

Vor winzigen Tavernen stehen Tische und Stühle. Je tiefer man in die Altstadt hineingeht, desto urtümlicher wird es: kein Platz mehr für Autos, keine Souvenirshops, nicht einmal Straßenschilder, keine Straßennamen. Der Postbote muss jeden Namen kennen, wenn er die Briefe zustellt, denn die Adresse der Bewohner lautet einzig „Skopelos-Stadt“.

Viele Privathäuschen werden auf der Sporadeninsel rund 150 Kilometer Luftlinie nördlich von Athen bereits an Touristen vermietet, manche davon mitten im Zentrum von Skopelos-Stadt. Im Schnitt sind sie rund 40 bis 50 Quadratmeter groß, zwei bis drei Geschosse hoch, mit eigener Küche, Dusche, Toilette, olivenholzbefeuertem Kamin für die Wintermonate, mit Innenhof oder Balkon – keines in Allerweltseinrichtung, alle geprägt vom Geschmack des Besitzers, der selber seinen Urlaub dort verbringt.

„Die Häuser“, erzählt Verwalter Alexander Roros, „gehören oft Griechen, die hier auf der Insel geboren sind und jetzt in anderen Teilen der Welt leben. Sie selber kommen nur für ein paar Wochen im Jahr auf die Heimatinsel zurück. Warum die Häuser den Rest des Jahres leer stehen lassen?“

Wäscheleinen und Stromkabel ziehen sich von Haus zu Haus. Kinder spielen auf kleinen Plätzen Fußball. Krämerläden offerieren Schafskäse, Oliven, Wein, kleine Alltagsköstlichkeiten. Einige Meter weiter schlagen türkisblaue Mittelmeerwellen gegen die Steilküste – untermalt vom Glockenschlag der Faneromeni-Kirche.Irgendwann in der Nacht erlöschen die letzten Lichter. Irgendwann ist die Flasche Wein auf dem Balkon geleert, die Hitze des Tages gewichen. Über dem Bett im Ferienhaus kreist ein Propeller. Wind bringt den Vorhang an der geöffneten Balkontür zum Tanzen, und am Morgen ist ein Vogelkonzert die Ouvertüre zum neuen Tag.

Skopelos ist grüner als die Nachbarinseln, verfügt über Steilküsten und Strände, über Haine aus Mandel- und Feigenbäumen, über dichte Wälder und ein Netz an asphaltierten Straßen von weniger als 50 Kilometern auf dem 96 Quadratkilometer großen Eiland.
Helge Sobik