Spanien

König in Flammen

Tagsüber lockt die Küste der Costa Blanca, nachts toben in den Dörfern die Feuerfeste.

Zu Besuch bei den Falla-Feuerfesten an der Costa Blanca

Auch diese liebevoll gefertigte Figur wird gleich in die Luft gejagt. Fotos: hs, Hiero/www.pixelio.de

Es sind Donnerschläge, die man im Bauch spürt – Kracher, die das Zwerchfell mitschwingen lassen. Unfassbar laut und von enormer Wucht. Wie zehnmal Silvester im selben Moment. Es sind lauter wohl‧‧dosierte Explosionen von 120-Kilo-Böllern, die die Fensterscheiben der Umgebung so sehr zum Wackeln bringen, dass haarscharf nichts kaputt geht. Und dabei riecht es, als ob sich einen Moment lang die Pforte zur Hölle geöffnet hätte.

Was da auf der Plaza Jaume I. im Zentrum von Denia an der Costa Blanca lange nach Einbruch der Dunkelheit geschieht, ist eine Aneinanderreihung von Explosionen, die als Konzert angekündigt wurde, als Mascleta – und eine Sinfonie in stampfendem Rhythmus geworden ist. Ein Konzert, das mit Applaus und Gejohle von ein paar Tausend Zuschauern endet, die sich anschließend auf die Bars der Altstadt und die Restaurants der Hafenprome‧nade verteilen oder zwischen Jahrmarktbuden hindurch bummeln und fettiges Churro-Gebäck mit Puderzucker erstehen.

Solche Mascletas gehören untrennbar zu den Fallas jedes Jahr vom 15. bis zum 19. März, zu dieser Festwoche, die es so nur im Großraum Valencia gibt. Zurückgehen soll all das auf eine Angewohnheit der regionalen Zimmerleute, zum Ende des Winters Kerzengestelle aus ihren Werkstätten in den Straßen zu verbrennen. Es dauerte nicht lange, bis Nachbarn sich daran beteiligten, die Gestelle mit Stoffresten dekorierten und man sich einigte, all das künftig zeitgleich in der Nacht vom 19. auf den 20. März anzuzünden.

Längst sind aus den Scheiterhaufen von einst haushohe und bis ins Detail liebevoll ausstaffierte Großskulpturen aus Pappmaché, aus Holz, Kork, Draht, Styropor und viel Leim geworden. Immer sind die Fallas, ähnlich wie die Figuren auf Karnevalswagen, überzeichnet und ironisch. Mal geht es um das Tief der spanischen Fußball-Nationalmannschaft, dann um die Skandale der Königsfamilie oder um das übergroße Ego eines Dorfbürgermeisters.

Während das Fest in Valencia längst ein touristisches Großereignis ist, ist das in den kleinen Städten und auf den Dörfern entlang der nördlichen Costa Blanca und im Hinterland noch ganz anders. Dort sind die Fallas Stadtfest geblieben, bei dem die konkurrierenden Vereinigungen der einzelnen Viertel gegeneinander antreten und ihre Skulpturen gemeinsam mit den Anwohnern auf den Hauptplätzen aufstellen – begleitet von abendlichen Mascletas.

Und am Ende sind es die Großskulpturen, die mit Feuerwerkskörpern gespickt, mit Zündschnüren umwickelt und auch noch mit Benzin übergossen in die Luft gejagt werden. Die Figuren bersten in der Hitze der Flammen erst auseinander, brechen dann krachend in sich zusammen, und bald brennt nur noch das hölzerne Stützkorsett, während die Zuschauer johlen – und die in den vorderen Reihen schnell wie kriegsbemalt aussehen, weil sie sich immer wieder Rußflocken aus der Stirn gewischt haben.
Helge Sobik