USA

Grüner wird’s nicht

Wilde Ponys sind die Hauptattraktion auf Chincoteague an der Atlantikküste Virginias. Foto: Joesboy/iStockphoto

Wilde Ponys sind die Hauptattraktion auf Chincoteague an der Atlantikküste Virginias. Foto: Joesboy/iStockphoto

Capital Region USA: Washington DC und die umliegenden Bundesstaaten Maryland und Virginia sind ein Mekka für Natur- und Outdoor-Fans

Im Outdoor-Paradies Shenandoah National Park genießt man tolle Aussichten. Foto: rie

Im Outdoor-Paradies Shenandoah National Park genießt man tolle Aussichten. Foto: rie

Auf dem Appalachian Trail: ta-Redakteur Thomas Riebesehl (links) mit Katie Reichard und Jake Wynn von Visit Frederick. Foto: Mara Waldschmidt

Auf dem Appalachian Trail: ta-Redakteur Thomas Riebesehl (links) mit Katie Reichard und Jake Wynn von Visit Frederick. Foto: Mara Waldschmidt

Wir haben Glück. Gestern noch hatte es in weiten Teilen der Region wie aus Eimern geschüttet. Heute taucht die hohe Luftfeuchtigkeit den schmalen, von sattgrünen Bäumen eingerahmten Pfad in einen gespenstischen Nebel. 

Die Szenerie passt gut zum historischen Schauplatz. Immerhin durchquert hier der Appalachian Trail, einer der populärsten Fernwanderwege in den USA, ein wichtiges Schlachtfeld des Amerikanischen Bürgerkrieges. Die blutigen Kämpfe am South Mountain und mehr noch am benachbarten Fluss Antietam im Bundesstaat Maryland stellten entscheidende Wendepunkte im Civil War zugunsten der Nordstaaten dar. Der Gedanke, dass hier viele tausend Soldaten ihr Leben lassen mussten, lässt einen an diesem kühlen Morgen noch mehr frösteln.

Vor allem Ziele für USA-Wiederholer

„Dieser Abschnitt des Appalachian Trail ist sehr beliebt bei Wanderern“, erzählt Jake Wynn vom Tourismusbüro der nahe gelegenen Stadt Frederick nordwestlich von Washington DC. „Die Geschichte in Kombination mit Outdoor-Aktivitäten sind die Hauptmotive für Touristen, hierher zu kommen.“ Dies gelte auch für europäische Besucher: „Weil Einwanderer aus Großbritannien und Deutschland die Region stark geprägt haben, ist das Interesse aus diesen Ländern groß“, ergänzt Wynn.

Dennoch sind die Hauptstadt sowie die umliegenden Staaten Maryland und Virginia, die touristisch als „Capital Region USA“ vermarktet werden, zumindest aus deutscher Sicht nach wie vor eher Ziele in der zweiten Reihe. „Wir sehen hier in erster Linie Wiederholer, die schon mehrmals in Amerika waren“, bestätigt Wynns Kollegin Becky Bickerton von Visit Frederick. Das ist ein wenig schade, wird doch gerade der wachsenden Zahl an Aktivreisenden und Naturliebhabern eine Menge geboten.

Wer also die grünen Highlights im Osten der USA erkunden will, dem sei eine Rundreise von mindestens zehn Tagen oder besser zwei Wochen empfohlen. Und diese beginnt idealerweise gleich am Anreiseort Washington. Denn allein in der Metropolregion befinden sich zwei Nationalparks: Während im Great Falls Park der Potomac River zu bestaunen ist, wie er in gewaltigen Wasserfällen die Felsen hinabstürzt, ist der weitläufige Rock Creek Park im Stadtgebiet sogar fast per U-Bahn zu erreichen.

Pony-Hochburg am Atlantik

Mit viel Naturschönheit locken aber auch die atlantischen Küsten Marylands und Virginias. Ein besonderes Kleinod ist die Insel Chincoteague, die hierzulande wenig bekannt, vielen Amerikanern aber bereits seit Kindheitstagen ein Begriff ist. Der Hauptgrund ist vierbeinig: Wilde Ponys bevölkern seit langem die vorgelagerte Insel Assateague Island, die als Naturreservat zugleich unzähligen Vögeln von Strandläufern bis zum Weißkopf-Seeadler Zuflucht bietet.

Um den Ponys und ihrem süßen Nachwuchs näher zu kommen, ist übrigens ein „Saltwater Cowboy“ wie Hunter Leonard sehr hilfreich. Auf den Bootstouren seiner „Cowboy Cruise Company“ manövriert er die Gäste nicht nur geschickt durch das verzweigte Inselsystem aus Flachwasser und Marschland, sondern zeigt ihnen auch die besten Foto-Spots. „Die meisten Ponys sieht man morgens“, so der Tipp des ausgebildeten Meeresbiologen, der sich schon zeit seines Lebens mit den Ponys beschäftigt und die rund 200 Tiere alle beim Namen kennt.

Nebenbei erfährt man vom Saltwater Cowboy viel über die Geschichte der Fischerei in der Region und insbesondere der Austernzucht, die für die Bewohner der Küste und der riesigen Chesapeake-Bucht äußerst wichtig ist – aus wirtschaftlichen, aber auch aus Gründen des Umweltschutzes. „Die Austern mit ihrer Filterfunktion sind heute wertvoller denn je für die Restauration des Ökosystems“, sagt Hunter Leonard.

Grüne Bergwelt Shenandoah

Das sieht man beim Brock Environmental Center im südlicher gelegenen Urlaubsort Virginia Beach ganz ähnlich. Deshalb ist das Umweltzentrum der Chesapeake Bay Foundation unter anderem damit beschäftigt, die Schalen verspeister Austern wieder ins Meer zu befördern, damit sich auf ihnen neue Muscheln ansiedeln. Ohnehin ist ein Besuch für umweltinteressierte Reisende empfehlenswert: Das Ende 2015 eröffnete Center ist nach strengsten Nachhaltigkeitskriterien gebaut worden.

Zurück im Inland von Virginia ist der Shenandoah-Nationalpark eine weitere Pflichtetappe. Wer das Naturparadies in den Blue Ridge Mountains im Schnelldurchlauf erkunden will, kann auf der Panoramastraße „Skyline Drive“ über 70 teilweise spektakuläre Aussichtspunkte ansteuern. Wer aber die dicht bewaldeten Hügel und Berge intensiver erleben will, zieht die Wanderschuhe an – und trifft dort wahrscheinlich einen alten Bekannten wieder: den Appalachian Trail.

Thomas Riebesehl
Anzeige