USA

28 Wagen nordwärts

Der Coast Starlight Express ist über 2.000 Kilometer entlang der US-Westküste unterwegs

Der Coast Starlight Express ist über 2.000 Kilometer entlang der US-Westküste unterwegs. Foto: Amtrak

USA: Unterwegs im Coast Starlight Express von Los Angeles nach Seattle

Der riesige Wartesaal der Union Station in Los Angeles wirkt wie aus der Zeit gefallen

Der riesige Wartesaal der Union Station in Los Angeles wirkt wie aus der Zeit gefallen. Foto: hs

Amerikas Westen ist für Patricia Dickinson gerahmt und hinter Glas. Sie sieht ihn nur durch die vielen Fenster ihres Waggons, bekommt beim Bettenmachen erst den Blick auf den Ozean geboten, später auf die Berge. Die Frau ist Zugbegleiterin und pendelt ein Berufsleben lang zwischen Los Angeles und Seattle. Seit fast dreißig Jahren ist sie mit dabei.

Gruß aus vergangenen Zeiten

Ob Patricia Dickinson einen Lieblingsbahnhof hat? „Ja, eindeutig“, sagt sie. „Den von Los Angeles, die Union Station.“ Weil es von hier aus nur gut eine Stunde mit dem Bus bis nach Hause ist. Aber auch, weil es ein großer alter Bahnhof mit hohen bemalten Holzdecken, mit Bänken und schweren Ledersesseln aus einer Zeit ist, als Zugfahren noch eine große Sache war. Als die Eisenbahn dieses Land zusammengeführt hat und Flugzeuge noch keine Rolle spielten.

Es ist kaum hundert Jahre her, und der Bahnhof sieht aus, als wären die beiden einzigen Neuanschaffungen seitdem der computerisierte Fahrkartendrucker hinter der Glasscheibe des ansonsten altertümlichen Schalters und der riesige Flachbildschirm mit der Baseball-Übertragung über dem Bartresen im Wartesaal der Schlafwagenpassagiere.

Auch der Zug selbst ist ein silberner doppel‧stöckiger Gruß aus vergangenen Zeiten: Täglich schraubt sich der Coast Starlight Express mit seinen fast immer über 25 Waggons gen Norden, über Sacramento und Oakland bei San Francisco nach Portland in Oregon und weiter bis nach Seattle in Washington State. Gut 34 Stunden dauert die Fahrt auf den vollen über 2.000 Kilometern.

„Meistens fliege ich die Strecke“, erzählt einer am Nebentisch im Speisewagen. „Aber so komme ich entspannter an. Das andere Reisetempo ist schuld daran.“ Jetzt lächelt er – und blickt über Hühnersalat mit Ananas hinweg auf den Ozean zwei Stunden nördlich von Los Angeles.

Eher Linien- als Touristenzug

Tatsächlich ist der Zug noch immer vor allem Verkehrsmittel im Liniendienst, um von einem Ziel zum anderen zu gelangen. Nur für eine Minderheit ist er Touristenattraktion, um die Weite der Pazifikregion der USA zu spüren, dieses Lebensgefühl auf Schienen auszuprobieren – und, um diesen Blick aufs Meer zu haben, wo manchmal nur noch Gleise verlaufen: auf Strände, Klippen, Surfer. Und auf gewaltige Wellen.

Abends im Panoramawaggon plaudern noch ein paar Passagiere – oder sie träumen schweigend mit einem Glas Wein in der Hand, das Steward Sergio serviert hat. Er ist seit zwei Jahren dabei und glücklich darüber, im Job so viel herumzukommen. Vorher hat er bei Mc Drive Hamburger durchs Fenster in wartende Autos gereicht.

Zwei Plätze weiter albert ein Vater mit seinem Sohn herum. Beide tragen ohne das geringste Gefühl von Peinlichkeit Schaffnermützen aus Pappe, die der Kleine gerade geschenkt bekommen hat. Und noch ein paar Plätze weiter hält ein älteres Pärchen Händchen beim Blick aus dem Fenster.

Betten machen für die Rückfahrt

Später drängeln sich die Wälder Oregons bis an die Gleise – so dicht, so weit, als wohnte dort fast niemand. Selbst Bahnübergänge sind dort oben selten geworden. Und gibt es mal einen, wartet hinter der Schranke allenfalls ein einzelner Pick-up, während der silberne Coast Starlight Express durchrattert.

Und zur Aussicht von gewaltigen Talbrücken hinab auf stille Seen trägt Sergio nun Kaffee im Halbliterbecher herbei, kommt ein zweites Mal vorbei und bietet Zitronenkuchen an. Ganz nebenbei springen ein paar Rehe weg von den Gleisen Richtung Sümpfe, während Patricia Dickinson bereits wieder Betten macht: Damit die Passagiere, die keine zwei Stunden später in Seattle am Fuße der Olympic Mountains für die Rückfahrt ein‧checken, es ebenfalls hübsch haben werden – und von Bett oder Sitz aus wieder großes Kino durch die Panoramascheiben erleben können.

Züge in den USA buchen
In Deutschland sind Tickets der amerikanischen Bahngesellschaft Amtrak über die Reiseveranstalter CRD Touristik und Meso Reisen buchbar. Reisebüros finden auf der Amtrak-Website www.amtrak.com/travel-agent-resource-center auch Möglichkeiten zur direkten Buchung.

Helge Sobik
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