Kanada

Wilde Wasser, leuchtende Berge

Spektakulär: Panoramablick am unberührten Snake River. Foto: wog

Im Kajak durch Yukons archaische Landschaften

Endlich ist das Ufer erreicht. Vor uns windet sich der Snake River, im Mittagslicht glitzernd, durch den Norden des kanadischen Yukon Territoriums. Sein Tal ist eingerahmt von den tief gestaffelten Bergketten der Mackenzie Mountains, wo sich Fichten auf weiten, grünen Hängen verlieren. Es ist eine einsame, eine archaische Landschaft.

Zwei Stunden dauerte der Einflug mit einem gecharterten Wasserflugzeug von Whitehorse bis hierher. Dann kamen die Duo Lakes in Sicht - zwei herrlich gelegene Bergseen in 1.400 Metern Höhe, auf denen Snake-Paddler für gewöhnlich abgesetzt werden. Ein schmaler Pfad führt von hier zwei Kilometer hinüber zum Oberlauf unseres Flusses. Viermal bewältigten wir diesen Weg und schleppten alles hinüber zum Ufer: unsere zwei Klepper-Falt-Kajaks, Lebensmittelsäcke und Zelte, Schlafsäcke und Matten, Axt und Säge, Kochtopf und noch einiges mehr. Alles wasserdicht verpackt.

Doch die Mühe war einkalkuliert bei diesem dreiwöchigen Abenteuer: 280 Kilometer auf dem Snake, eine rasante Tour aus den Bergen hinab bis ins Becken des Peel River. Dann auf diesem nochmals 205 Kilometer weiter bis Fort McPherson, einer Siedlung der einheimischen Gwich'in-Indianer hinter dem Polarkreis und schon auf dem Gebiet der Northwest Territories.

Ob der Snake River schwierig ist? Nun, wir sind mit langen, schwer beladenen Booten unterwegs. Und der Fluss rauscht mit bis zu 15 Stundenkilometern auch durch kurvige, enge Schluchten - und über viele Felsbrocken, die in seinem Bett tückisch verteilt sind. Wer da nicht aufpasst, kentert schnell.

Ein Stachelschwein überquert vor unseren Booten schwimmend den Strom, ein Karibubulle mit stolzem Geweih galoppiert durch einen der vielen Seitenarme, in die sich der Snake beständig verzweigt. Ein Weißkopfseeadler beobachtet die Szene, und wie schön muss erst sein Blick von oben sein, über die Bergketten mit ihren schroffen Graten und skurrilen Felstürmen.

Wenn abends die Sonne hinter die Bergsilhouetten sinkt, wird der Himmel zur Leinwand mit pastellfarbenen Schattierungen. Bald leuchten die Wälder und Hänge wie von orangenfarbenen Scheinwerfen angestrahlt. Weiter flussab marschieren wir vom Snake-Ufer aus hinauf in die Bergwelt. Die weglose Route führt hoch über einem tief eingeschnittenen Felsschlund entlang, in dessen Grund der milchige Milky Creek zu Tal donnert - dem Snake entgegen. Dort oben rasten wir mit bester Aussicht aufs Mount-MacDonald-Massif.

Wir erreichen schließlich den großen Snake Canyon. Dort quetschen sich die Fluten des Flusses gurgelnd und schäumend durch ein kaum mehr als zehn Meter breites Nadelöhr. Guten Gewissens schleppen wir deshalb die Boote über einen kleinen Berg auf die andere Seite der Schlucht. Dabei belohnt am höchsten Punkt eine wunderschöne Aussicht flussabwärts - dorthin, wo der Snake bald am Fuße mächtiger Steilufer entlang strömt, die mehr als 150 Meter hoch über unseren winzigen Kajaks aufragen.
Wolfgang Gessler
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