Orascom und die Folgen der FTI-Insolvenz für El Gouna

Luftansicht von der ägyptischen Urlaubsdestination El Gouna kleine Inseln mit Hotels und Pools
Die von Orascom entwickelte ägyptische Urlaubsdestination El Gouna ist knapp 37 Quadratkilometer groß, etwa 55 Prozent davon sind bisher erschlossen. Foto: Orascom Hotels Management AG
Orasom-CCO Jens Freise Mann mit Hemd und Sakko
Jens Freise ist kaufmännischer Leiter der Schweizer Orascom Hotels Management AG; Foto: Orascom Hotels Management AG

Nach der Insolvenz von FTI musste sich auch die Orascom Holding neu sortieren – vor allem in der ägyptischen Urlaubsdestination El Gouna. CCO Jens Freise spricht über Umsatzverluste und neue Projekte.

Herr Freise, nach der Insolvenz von FTI musste sich die ganze Branche erst mal schütteln. Sie bei Orascom bestimmt besonders. Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?
Die Branche hatte natürlich seit geraumer Zeit über die wirtschaftlichen Herausforderungen bei FTI gesprochen, die Gerüchte schießen ja sehr schnell ins Kraut. Ich tue mich allerdings schwer damit zu sagen, dass es sich abgezeichnet hat. Natürlich habe ich wie viele andere auch mit Sorge beobachtet, wie lange sich der Restrukturierungsprozess hingezogen hat – andererseits war FTI ein großes Unternehmen, in dem tiefgreifende Strukturmaßnamen nicht über Nacht passieren können. Außerdem war FTI über lange Jahre ein sehr verlässlicher Partner und ich habe, wie sicher viele, gehofft, dass der Neustart mit dem gewünschten Investor gelingt. So war ich dann doch einigermaßen überrascht, als die Insolvenz vermeldet wurde.

Wie schnell war für Sie klar, dass der Veranstalter tatsächlich vom Markt verschwinden wird?
Wenn ein Insolvenzverfahren einmal eröffnet ist, geht es in der Regel schnell. Denn wenn es um Urlaub geht, sind die Menschen verständlicherweise äußerst sensibel. Und auch die Vertriebspartner aus den Reisebüros schwenken schnell auf andere Veranstalter um, die haben ebenfalls keine Lust, ihre Kunden wieder nach Hause holen zu müssen und Vertrauen zu verlieren. Darf ich dazu auch noch etwas ganz Persönliches sagen?

Schießen Sie los.
Was mir in all der Berichterstattung über die Insolvenz etwas zu kurz gekommen ist, ist die Würdigung der großen Erfolgsgeschichte, die FTI ja jahrelang war. Für Dietmar Gunz und die Familie Sawiris ist es sehr traurig, die Pleite erleben zu müssen, ebenso für die vielen Angestellten in der Zentrale in München. Das sind aber alles super ausgebildete Leute, die gute Chancen am Arbeitsmarkt haben. Sorgen mache ich mir vor allem um die vielen Mitarbeiter in den Zielgebieten, die nun ohne Sozialleistungen und ohne Job dastehen. Für die hat das noch mal eine ganz andere Bedeutung.

Nun aber zu Orascom und El Gouna. Durch die Verbindung mit der Familie Sawiris war FTI so etwas wie der natürliche Partner. Was bedeutet das jetzt für Ihr Unternehmen?
FTI war in El Gouna immer unter den Top drei der Veranstalter, oft auch Marktführer. Das hat sich schon alleine dadurch ergeben, dass El Gouna sehr viele Kunden aus dem deutschen Markt hat. Fast jeder zweite Hotelgast ist hier deutschsprachig. Da verwundert es nicht, dass ein so großer Veranstalter gut vertreten war. Allerdings: Wir haben von Anfang an keine orangefarbenen T-Shirts getragen. Will heißen: Es war nie so, dass FTI sich die Sahnestückchen bei uns raussuchen durfte und die anderen Veranstalter nur bekamen, was sozusagen übrigblieb. Es war und ist uns immer wichtig, neutral zu sein und mit allen Veranstaltern eng und langfristig zusammenzuarbeiten.

Eine Lücke wird es dennoch geben, was die Umsatzzahlen angeht. Lässt sich die Höhe schon beziffern?
Der Umsatzverlust durch die FTI-Insolvenz wird in El Gouna bis Ende des Jahres im einstelligen Prozentbereich liegen. Daran sieht man, dass wir breit aufgestellt sind und auch, dass andere Veranstalter schnell Marktanteile von FTI übernommen haben. Deshalb gab es bei uns auch nie die Sorge, dass das Geschäft einbricht, nur weil FTI jetzt nicht mehr da ist.

Wie viele Hotels gibt es aktuell in El Gouna?
Derzeit sind es 18, alle gehören Orascom. Ein kleines Stück Land wurde allerdings vor einiger Zeit verkauft. Dort könnte es perspektivisch auch mal ein Hotel eines anderen Eigentümers geben. Und das Mövenpick Hotel sowie die beiden Hotels Ocean View und Rihana gehören zwar mehrheitlich Orascom, werden aber von anderen Gesellschaften operativ geführt.

Sind alle Hotels über deutsche Veranstalter buchbar?
Prinzipiell ja. Es gibt aber zum Beispiel direkt an der Marina kleine Hotels, die vornehmlich von Tauchern und Kitesurfern nachgefragt werden. Die sind nicht in den Katalogen der Veranstalter vertreten, tauchen aber in deren Buchungssystemen auf. Und das The Chedi El Gouna hat aufgrund seiner Exklusivität eine Sonderstellung. Etwa 60 bis 65 Prozent sind hier Direktbuchungen, das andere Drittel vertreiben wir über Luxus-Veranstalter wie beispielsweise Airtours oder Windrose.

Ist die Entwicklung von El Gouna abgeschlossen – oder stehen weitere Projekte an?
Ich werde es bis zur Rente ganz sicher nicht mehr erleben, dass El Gouna ;fertig‘ ist – ganz abgeschlossen ist so eine Entwicklung ja ohnehin nie, da irgendwann bestehende Infrastruktur erneuert, erweitert oder verändert wird. Die Destination ist 36,9 Quadratkilometer groß, davon sind etwa 55 Prozent erschlossen. Und das hat 34 Jahre gedauert … Momentan konzentrieren wir uns auf die Renovierung der bestehenden Häuser. Das Sheraton wurde beispielsweise im laufenden Betrieb vier Jahre lang saniert, ohne dass die Gästezufriedenheit, die wir permanent messen, darunter gelitten hätte. Mit dieser Erfahrung gehen wir demnächst weitere Projekte wie zum Beispiel das Mövenpick an, außerdem bekommt das Casa Cook weitere 30 Zimmer. Aber auch neue Hotels stehen in den kommenden Jahren auf der Agenda.

Gibt es da schon eine Größenordnung?
Innerhalb der nächsten zehn bis 15 Jahre werden einige weitere Hotels hinzukommen, die dem Stil El Gounas entsprechen werden. Die sehr großen Anlagen, die man zum Beispiel in Hurghada findet, sind nicht so unsere Welt.

Welche Vertriebs-Aktivitäten von Orascom sind geplant?
Wir sind da sehr aktiv. Wir haben jetzt wieder zwei Vertriebs-Kollegen in Deutschland und sind nicht zuletzt über die vielen Reisebüros der RTK flächendeckend vertreten. Jedes Jahr gibt es mehr als ein Dutzend Famtrips mit allen möglichen Veranstaltern nach El Gouna. Die Destination sollte man erlebt haben, um sie gut verkaufen zu können. Die Größe, in Kombination mit der ,laid-back‘-Atmosphäre und dem besonderen Lifestyle: Da reicht eine Powerpoint-Präsentation nicht aus.

Dann nennen Sie doch mal ganz schnell ein paar Besonderheiten.
El Gouna ist ein pulsierender, voll-integrierter Ort mit Restaurants, Cafés, Sport, Nightlife und vielen Freizeitmöglichkeiten. Auch Work-Life-Balance ist ein großes Thema: Wir haben zwei große Co-Working Spaces, die konstant belegt sind. Wir wollen gar nicht, dass die Gäste nur im Hotel sind, sie sollen rausgehen! Deshalb bieten wir auch ganz unterschiedliche Verpflegungsarten an und immer mehr Gäste verzichten auf All-inclusive und erkunden die mehr als 100 Restaurants und Bars in El Gouna. Wir setzen uns zudem für mehr Aktivurlaub ein. Ob Kultur, Golf, Kite Surfen, Yoga Retreat oder Kochkurs: Es gibt enorm viel zu entdecken, ob Jung oder Alt, Single, Paar oder Familie.

Info: Alle Hotels und Resorts in El Gouna sind seit Juni über alle großen deutschen Veranstalter und auch über Bistro buchbar.
Mehr über Ägypten lesen Sie im Themenspecial in unserer neuen Ausgabe ta 18/2024.

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