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DRSF: „Ein gutes Gefühl für die Kunden“

touristik aktuell führte das erste Interview mit allen drei Geschäftsführern des Deutschen Reisesicherungsfonds (v.l.n.r.): Thomas Schreiber, Andreas Gent und Stefan Mees

touristik aktuell führte das erste Interview mit allen drei Geschäftsführern des Deutschen Reisesicherungsfonds (v.l.n.r.): Thomas Schreiber, Andreas Gent und Stefan Mees. Fotos: DRSF

Seit nun fast drei Monaten sind die Kundengelder mittlerer und großer Reiseanbieter über den Deutschen Reisesicherungsfonds abgesichert. In diesem Gespräch berichten erstmals alle drei Geschäftsführer über die Herausforderungen der Anfangszeit – und darüber, was noch zu tun ist.

Herr Mees, das ist Ihr erstes Interview als neuer Geschäftsführer des Deutschen Reisesicherungsfonds. Was bringt Sie zum DRSF?
Stefan Mees: Ich war vorher bei der Zurich Versicherung tätig und habe dort die Umsetzung der gesetzlichen Neuregelung zur Insolvenzabsicherung eng begleitet. Durch meine Erfahrung mit der Reisepreisabsicherung bei der Insolvenz von Thomas Cook bringe ich hier einiges an Know-how mit, das ich gerne dazu einsetzen möchte, den Verbraucherschutz und das Vertrauen in die Reisebranche zu stärken.

Herr Gent, Herr Schreiber, Sie haben den Aufbau des Fonds von Anfang an begleitet. Nachdem die Betreibergesellschaft erst Ende August vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzt worden war, musste es bis zum Start am 1. November ziemlich schnell gehen. Wie viele Nerven hat Sie das gekostet?
Andreas Gent: Ganz ehrlich: Nicht viele in der Branche hätten darauf gewettet, dass der Fonds tatsächlich am 1. November die Kundengeldabsicherung übernehmen kann. Es war eine Mammutaufgabe. Wir können jetzt zufrieden und dankbar sein, dass alles gut geklappt hat.
Thomas Schreiber: Der ganze Fonds wurde unter sehr hohem zeitlichem Druck geboren. Innerhalb weniger Wochen mussten wir die Antragsformulare für die Reiseunternehmen fertigstellen, mit denen sie sich um eine Aufnahme in den Fonds bewerben konnten. Klar war, dass wir es unbedingt schaffen mussten, denn für den Geschäftsbetrieb der Veranstalter ist es essentiell, einen Sicherungsschein ausstellen zu können. Deshalb haben wir auch viele Tätigkeiten und Serviceleistungen ausgelagert.

Wie viele Mitarbeiter hat der DRSF derzeit?
Gent: Wir sind aufgebaut wie ein mittelständisches Unternehmen. Aktuell sind wir 16 Leute, das Ziel sind 20. Es ist durchaus eine Herausforderung, geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einem entsprechenden Versicherungshintergrund zu finden.
Schreiber: Wer das liest und sich angesprochen fühlt, soll sich gerne bewerben!

Wie viele Reiseunternehmen haben ihre Kundengelder bislang über den Fonds abgesichert?
Schreiber: Zum jetzigen Zeitpunkt sind 141 Verträge unterschrieben. Der Großteil davon kommt von Veranstaltern, die den jährlichen Mindestumsatz von zehn Millionen Euro überschreiten und sich damit zwangsläufig über den DRSF absichern müssen. Es gibt aber auch rund 45 Unternehmen, die ihre Kundengelder freiwillig bei uns absichern.

Zählen dazu auch Reisebüros, die verbundene Reiseleistungen anbieten?
Schreiber: Wir fragen bei den Antragstellern nicht ab, ob sie klassische Pauschalreisen oder verbundene Reiseleistungen anbieten. Bei einer Handvoll Unternehmen deutet jedoch der Name darauf hin, dass es sich um ein Reisebüro handelt.

Welchen Vorteil sehen die kleineren Unternehmen darin, in den Fonds zu gehen und sich nicht mit einer Versicherungslösung oder einer Bankbürgschaft abzusichern?
Mees: Das Vertrauen in den Fonds scheint sehr groß zu sein. Die Unternehmen möchten ihre Kundengelder schon im Eigeninteresse vernünftig abgesichert sehen, denn damit geben sie ihren Kunden ein gutes Gefühl. Das war schon immer wichtig – nach der Cook-Insolvenz und in der derzeitigen Situation umso mehr.
Gent: An der Prämie kann es jedenfalls nicht liegen, denn die fällt bei uns auch nicht geringer aus.

Gibt es noch Hängepartien – also Reiseunternehmen, die bei der Bonitätsprüfung auf wackligen Füßen stehen?
Schreiber: Die Branche erlebt gerade schwierige Zeiten. Trotzdem hatten wir noch keinen Antrag auf dem Tisch, bei dem noch schnell das brennende Haus versichert werden sollte. Die meisten Veranstalter haben sehr ordentliche Unterlagen eingereicht. Vereinzelt gab es Schwierigkeiten, die erforderlichen fünf Prozent des prognostizierten Umsatzes als Sicherheit zu stellen. Aber nach dem Haftungsschnitt und der Freigabe der Sicherheiten durch die Vorversicherer ließ sich auch diese Hürde aus dem Weg räumen.

Gibt es Veranstalter, die aufgrund ihrer finanziellen Situation einen Risikoaufschlag zahlen müssen?
Schreiber: Derzeit gibt es keine Risikoaufschläge. Alle Anbieter zahlen gleichermaßen ein Prozent Entgelt.

Wie realistisch ist es angesichts der andauernden Pandemie, dass der Fonds wie angedacht bis 2027 mit 750 Millionen Euro gefüllt sein wird?
Gent: Was die Pandemie noch bringt, weiß keiner von uns. Einerseits gibt es Anzeichen, dass sich die Lage entspannen könnte. Andererseits hatten wir diese Hoffnung auch schon Anfang letzten Jahres. So oder so bin ich aber überzeugt davon, dass das Ziel realistisch ist.
Schreiber: Ich sehe keinen Grund dafür, weshalb wir das bis 2027 nicht schaffen sollten. Immerhin ist das auch die gesetzliche Vorgabe, die kann man nicht mal eben schnell ändern.

Für Reisebüros, aber auch für Verbraucher ist es wichtig zu wissen, welche Veranstalter einen Sicherungsschein ausstellen können. Kann man irgendwo einsehen, wer über den Fonds abgesichert ist?
Gent: Ja, auf unserer Internet-Seite www.drsf.reise gibt es eine Liste, die jeder abrufen kann. Mit diesem Wunsch sind unter anderem viele Reisebüros an uns herangetreten.
Schreiber: Die Liste ist allerdings noch nicht vollständig. Wenn ein Anbieter fehlt, heißt das deswegen nicht, dass er nicht über den Fonds abgesichert ist, sondern vielleicht nur, dass er bislang noch nicht sein Einverständnis zur Veröffentlichung auf der Liste gegeben hat.

Sollte ein Reiseveranstalter in Zukunft in den Fonds wechseln wollen: Müssen dabei besondere Fristen beachtet werden?
Schreiber: Nein, jeder darf jederzeit einen Antrag bei uns stellen.


+++ Mehr zum Thema Reiseversicherungen lesen Sie in der aktuellen Ausgabe 1-4/2022 von touristik aktuell +++

Susanne Layh
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