Das Urteil des Amtsgerichts Nordhorn zur Infopflicht von Reisebüros wird von den Reisebüro-Kooperationen durchweg als positiv bewertet. Dies geht aus einer Umfrage von touristik aktuell bei den Kooperationen Deutscher Reisering, RTK, Schmetterling, Tourcontact, TSS und Schauinsland-Reisen Partner/Holiday Land hervor. Ihnen gehören mehr als 70 Prozent der deutschen Reisebüros an.
Anlass: Klage zur FTI-Insolvenz
Laut dem Urteil haben Reisebüros gegenüber ihren Kunden zwar eine allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflicht. Eine Pflicht zu eigenen Nachforschungen etwa über eine finanzielle Schieflage besteht jedoch nicht. Und auch dann müssen Reisebüros nur darauf hinweisen, wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt.
Das war im vorliegenden Fall, der Insolvenz von FTI, nicht gegeben. Sie war auch der Anlass für die Klage gegen ein Franchise-Reisebüro. Dieses hätte seine Kunden vor der Buchung über die schlechte finanzielle Lage von FTI hätte informieren müssen, behauptete der Kläger.
„Nein“, urteilte nun das Amtsgericht Nordhorn und erntete damit auch das Lob diverser Rechtsexperten. Sie zeigten sich von dem Urteil nicht überrascht.
Karaca: „Reisebüros sind keine Wirtschaftsprüfer“
Diese Entscheidung begrüßt unter anderem Ömer Karaca, Chef der Reisebüro-Kooperation Schmetterling, „ausdrücklich“. Das Urteil schaffe Rechtssicherheit und bestätige „eine für die Branche essenzielle Grundlogik: Reisevermittler dürfen nicht in die Rolle eines Wirtschaftsprüfers gedrängt werden“.
Ihre Aufgabe sei es vielmehr, „Kunden fachkundig zu beraten, passende Angebote zu finden und im Angebotsdschungel Transparenz zu schaffen“. Die Analyse der wirtschaftlichen Stabilität jedes einzelnen Veranstalters sei dagegen nicht ihre Aufgabe und schon gar nicht ihre Kompetenz.
Warnen ja, aber nicht als Pflichtaufgabe
Zudem verfügen Reisebüros Karaca zufolge in der Regel weder über die dafür notwendige betriebswirtschaftliche Qualifikation noch wäre eine solche Expertise im Rahmen ihrer Tätigkeit „sinnvoll oder erforderlich“.
Karaca weiter: „Wenn einzelne Reisebüro-Unternehmer Risiken im Markt erkennen und daraus Konsequenzen ziehen, etwa indem sie ihr Sortiment anpassen oder bestimmte Anbieter nicht mehr empfehlen, dann ist das eine individuelle betriebswirtschaftliche Entscheidung, jedoch keine rechtliche Pflicht und auch kein Branchenstandard, der pauschal eingefordert werden kann.
„Reisebüros sind kein Insolvenz-Orakel“
Das Urteil unterstreicht aus Sicht des Schmetterling-Chefs, „wie wichtig eine klare Trennung zwischen touristischer Vermittlung und wirtschaftlicher Risikobewertung ist“. Gerade im Reisevertrieb, wo täglich „hunderte Anbieter, Marken und Leistungsträger im Markt agieren“, wäre aus seiner Sicht „eine umfassende Prognosepflicht nicht nur unverhältnismäßig, sondern realitätsfern und für viele Betriebe existenzbedrohend“. Fazit von Ömer Karaca: „Reisebüros beraten, sie dürfen nicht zum Insolvenz-Orakel gemacht werden!“
Wie die Chefs der anderen Reisebüro-Kooperationen das Urteil sehen und was sie zur Infopflicht der Reisebüros sagen, lesen Sie in unserer Umfrage der Woche in ta 24/25 auf Seite 4. Die Seite kann auch ohne ta-Abo im E-Paper aufgerufen werden.




