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Reisevertrieb

Personalführung: Zu oft aus dem Bauch heraus

Mit modernen Analysemethoden kann man Stärken und Schwächen von Reisebüro-Mitarbeitern besser herausfinden.

Mit modernen Analysemethoden kann man Stärken und Schwächen von Reisebüro-Mitarbeitern besser herausfinden. Foto: ta

Reisebüros sollten die Krise für neue Wege der Mitarbeiteranalyse nutzen

Wirtschaftskrise, Buchungsflaute, Kurzarbeit: In immer mehr Reisebüros muss gegenwärtig in Mitarbeitergesprächen geklärt werden, wie es in den kommenden Monaten weitergeht. Doch dabei sollte es nicht nur um angepasste Gehälter und flexible Arbeitszeiten gehen, empfehlen Personalberater. Denn genau jetzt habe man die Chance, Dinge beim Schopf zu packen, die in der Touristik bislang nur eine Nebenrolle spielen.

Es gibt viel, woran sich arbeiten ließe: Zielvereinbarungen für die Verkäufer, eine bessere Mitarbeiterführung durch Büroleiter, Persönlichkeitstests für
das ganze Team. „Viel zu oft handeln Chefs aus dem Bauch heraus“, meint etwa Joachim Sailer, Mitbegründer der Stuttgarter Unternehmensberatung Personalanalysten. Aus seiner Sicht ist das ein großer Fehler. Denn der Löwenanteil der Kosten in einem Reisebüro ist personalgebunden. „Und genau dort müssen die Inhaber investieren.“

Doch wie führt man ein Instrument zur Menschenführung ein, ohne das Klima im Unternehmen nachhaltig zu schädigen? Und woher wissen Personalberater, wie Touristiker ticken? Benchmark-Daten über Personalführung gibt es in der Branche nur wenige.

So mancher Inhaber hat mit Personalberatungen schon schlechte Erfahrungen gemacht: Da kommen etwa Trainer ins Haus, mit deren Hilfe das Thema Mitarbeitergespräch angeschoben werden soll. Doch viel zu oft mangelt es an einer Datengrundlage, die für Personalgespräche herangezogen werden könnte. Und weil Mitarbeiter zu Recht Fakten für unerlässlich halten, ersticken viele Gespräche bereits im Ansatz.

Die Lösung könnten vor allem für größere Büros wissenschaftlich fundierte Analysemethoden sein. So basiert etwa „Pers X“ auf der Eigen- und Fremdeinschätzung von Mitarbeiter und Chef. Per Fragebogen bewerten sie sich auf einer Liste mit 30 Persönlichkeitsmerkmalen. Das Gleiche tut der Chef. Angesprochen werden unter anderem Offenheit, Umgangsformen, Neugier, Gründlichkeit, logisches Denken, Risikofreude und Ehrgeiz.

Anschließend wird die Selbst- mit der Fremdeinschätzung abgeglichen. Auf einem Netzdiagramm sehen Chef und Angestellter, wo Differenzen sind. „Die Analyse liefert die Grundlage für das Gespräch. Denn es werden Neigungen, Stärken, aber auch Abneigungen und Schwächen sichtbar. So kommt Kommunikation in Gang“, erklärt Personalberater Sailer. Neu ist, dass sich die Daten auf definierte Arbeitsbereiche der Branche spiegeln lassen.

Ein Beispiel: Ein Mitarbeiter, der viel mit Kunden in Kontakt ist, sollte offen sein, freundlich, redegewandt und risikofreudig. Weniger ausgeprägt können die Eigenschaften ?Arbeitstempo, Gründlichkeit oder Gewissenhaftigkeit sein. Für eine Fachkraft, die im Backoffice arbeitet, zählen die Ausprägungen in genau entgegengesetzter Richtung.

Die ersten Reisebüros haben mit Personal-Tools gute Erfahrungen gemacht – auch wenn sich einige Kollegen aus Furcht vor Kritik und Arbeitsplatzverlust zunächst weigerten, bei der Analyse mitzumachen. Doch einmal ausprobiert und mit dem Chef die Eigen- und Fremdeinschätzung diskutiert, seien alle Vorbehalte ausgeräumt, berichtet ein Inhaber aus Nordwürttemberg. Statt Flurfunk und Küchengeschwätz ziehe eine offene Gesprächskultur in das Unternehmen ein.

Auch der Chef selbst kam zu neuen Erkenntnissen: So erwies sich eine Mitarbeiterin, die ihm zuvor wegen vieler Fehler und zuviel „Getratsche“ aufgefallen war, als eine der nützlichsten Kolleginnen. Denn sie betreut nicht nur neun Auszubildende und muss schon deshalb viel reden. Sie ist auch so etwas wie die gute Seele der Firma – und Ansprechpartnerin Nummer eins für fachliche Fragen.
Michael Sudahl