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Beratungspflicht: Rechtsexperten von Urteil nicht überrascht

Bronzene Justitia-Statue vor blauem Himmel, mit erhobenem Schwert in der rechten Hand und einer Waage in der linken Hand.

Das Urteil des Amtsgerichts Nordhorn sorgt weiter für Diskussionen. Foto: travelview/iStock

Das Urteil des Amtsgerichts Nordhorn hat für hitzige Diskussionen in der Branche gesorgt. Während der VUSR die angekündigte Berufung des Klägers begrüßt, beurteilen Rechtsexperten wie Hans-Josef Vogel von der Kanzlei Advant Beiten die Entscheidung als „erwartbar“ und mit Blick auf eine mögliche Berufung „sorgfältig begründet“. 

„Es ist für mich keine Überraschung, dass die Richter so entschieden haben“, sagte Vogel im Gespräch mit touristik aktuell. Das Urteil zeige auf, dass ein Reisebüro eine Aufklärungs- und Beratungspflicht habe und der Vermittler eine sorgfältige Auswahl der Partner treffen müsse. Jedoch seien Reisebüros nicht zu Nachforschungen verpflichtet. „Auch reichen Einschätzungen zu einer finanziellen Schieflage nicht aus. Es muss ganz konkrete Anhaltspunkte geben. Erst dann muss ein Reisebüro seine Kunden warnen“, erläuterte der Jurist. „Das Gericht sagt sehr klar, eine indifferente, nicht auf Darlegung konkreter Umstände beruhende Bewertung reiche nicht zu Begründung einer Informationspflicht aus.“

Rechtsexperte Vogel: Urteil „sehr gut begründet“

Laut Vogel ist das Urteil „sehr gut begründet“. Das Gericht untermauere sein Urteil mit früheren Entscheidungen und verweise zudem auf zahlreiche Berichte in der Fachliteratur. Diesen zufolge reichen unkonkrete Warnung vor einer „wirtschaftlichen Schieflage“ nicht aus. „Wenn ein Vermittler warnen muss, wenn zum Beispiel Hotelrechnungen oder Provisionen nicht gezahlt wurden, ohne das klar ist, dass der Grund Insolvenznähe ist, fügt es im Zweifelsfall einem Veranstalter großen Schaden zu“, so Vogel. 

Als „nicht überraschend“ wertet auch Reiserechtsanwalt Holger Hopperdietzel von der Kanzlei Advocatur in Wiesbaden das Urteil. Ebenso wie Vogel beurteilt er die Entscheidung als „sehr ausführlich begründet“ und „folgerichtig“. „Einem Kläger, der keine Rechtsschutzversicherung hat, würde ich nicht empfehlen, in Berufung zu gehen.“

Rechtsexperte Hopperdietzel spielt Urteil in die Karten

Hopperdietzel hatte das Verfahren vor dem Amtsgericht Nordhorn mit großem Interesse verfolgt. Vor einiger Zeit hatte der Wiesbadener Jurist bereits in einem ähnlich gelagerten Fall eine außergerichtliche Beilegung des Rechtsstreits mit Check 24 erzielt. Darüber hinaus vertritt er ein Paar aus dem Rhein-Main-Gebiet, das ebenfalls eine Klage gegen ein Reisebüro aus Bad Homburg angestrengt hat. Ein erster Verhandlungstermin war für den 4. Dezember angesetzt, ist aber auf 18. Dezember verschoben worden.   

Das Urteil aus Niedersachsen spielt dem Juristen eigenen Aussagen zufolge in die Karten. Denn der Richter in Nordhorn sah es auch als erwiesen an, dass das Reisebüro den Kunden darüber aufgeklärt hatte, dass es sich bei der gebuchten Leistung nicht um eine Pauschalreise handelte und somit ein Verlustrisiko bestünde. „Meine Mandanten hingegen wurden nicht über den Unterschied zwischen einer Einzelleistung und einer Pauschalreise aufgeklärt“, erklärte Hopperdietzel im Gespräch mit touristik aktuell. 

Ute Fiedler