Muss ein Reisebüro seine Kunden darauf hinweisen, wenn ein Veranstalter in finanziellen Schwierigkeiten steckt? Seit dem Verfahren gegen Check24, das kürzlich ohne Richterspruch beigelegt wurde, ist die Branche alarmiert. Weitere Verfahren laufen vor den Amtsgerichten in Nordhorn und ab Dezember in Bad Homburg. Ein Urteil zugunsten der Kläger könnte weitreichende Folgen haben.
Am Montag ging nun der Prozess vor dem Amtsgericht in Nordhorn weiter (3C484/24). Ein Paar hatte im März 2024 in seinem Stammreisebüro über FTI einen zehntägigen Hotelaufenthalt in Venedig gebucht, als Einzelleistung. Wenige Tage vor Beginn der Reise am 6. Juni meldete FTI Insolvenz an. Das Reisebüro informierte die Kunden, dass die Reise nicht stattfinden könne. Da jedoch die Flüge gebucht waren, reiste das Paar dennoch und buchte ein Ersatzhotel auf eigene Kosten.
VUSR-Chefin Marija Linnhoff als Zeugin
Um unter anderem die entstandenen Kosten einzuklagen, zog das Paar nach seiner Rückkehr vor Gericht. Es ist überzeugt, dass die finanziellen Schwierigkeiten des Münchner Veranstalters dem Reisebüro bekannt waren. Als Zeugin benannte es VUSR-Chefin Marija Linnhoff, die am Montag im Zuge der mündlichen Verhandlung aussagte. Linnhoff hatte bereits Monate vor der Insolvenz immer wieder auf die Situation von FTI und den damit verbundenen Risiken verwiesen. Zahlreiche Reisebüros, die Mitglied im VUSR sind, hatten daraufhin keine Buchungen mehr bei FTI platziert.
Hätte das Reisebüro, das einer großen Franchise-Kette angehört, über die finanzielle Schieflage von FTI informiert sein müssen? Und hätte es dementsprechend seine Kunden warnen müssen? Das müssen nun die Richter am Amtsgericht Nordhorn klären. Fakt ist dabei: Reisebüros haben keinerlei Einblicke in die Geschäftszahlen von Veranstaltern. Und vor der Insolvenz von FTI gab es zwar Gerüchte über eine finanzielle Schieflage. Dass FTI aber tatsächlich bald zahlungsunfähig sein würde, konnten sich in der Branche nur sehr wenige vorstellen.
Ein Urteil wird für den 13. November erwartet. Sollte dies zugunsten der Kläger ausgehen, könnte es zu einer Klagewelle kommen und zu hitzigen Diskussionen, welche Informationen und Hinweise Reisemittler an ihre Kunden weitergeben müssen.
Weiteres Verfahren im Dezember am AG Bad Homburg
Nach Informationen von touristik aktuell wurde ein vom Gericht vorgeschlagener Vergleich von beiden Parteien abgelehnt. Beide Parteien wollen, so heißt es, bei einer Niederlage vor die nächsthöhere Instanz ziehen.
Auch Rechtsanwalt Holger Hopperdietzel, Inhaber der Kanzlei Advocatur in Wiesbaden, blickt gespannt auf das erwartete Urteil. Er vertritt ein Ehepaar aus dem Rhein-Main-Gebiet, das in einem Reisebüro im April 2024 ein Hotel als Einzelleistung gebucht hatte. Laut dem Anwalt wiesen die Mitarbeitenden seine Mandanten nicht darauf hin, dass sie bei einer Einzelleistung im Falle einer Insolvenz keine Rückerstattung erhalten. „Der Reisevermittler hätte angesichts der bekannten finanziellen Schwierigkeiten von FTI ein versichertes Produkt oder alternativ eine Reise eines anderen Veranstalters empfehlen müssen“, erklärt Hopperdietzel.
Die Verhandlung vor dem Amtsgericht Bad Homburg beginnt am 4. Dezember.

