Der Flugverkehr in Deutschland hat sich bislang weniger gut erholt als in vielen anderen europäischen Ländern sowie in Nordamerika. Die „Recovery-Quote“ liege im Vergleich zu 2019 aktuell nur bei 75 Prozent, so ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel während eines Vortrags beim Corps Touristique in Frankfurt am Main. Zum Vergleich: Spanien kommt bereits wieder auf 95 Prozent des Flugverkehrs von 2019, Italien auf 87 Prozent.
Großen Einfluss auf das Minus in Deutschland hat laut ADV der zum Teil fehlende interkontinentale Verkehr: Er wird den Erwartungen zufolge in diesem Jahr bei rund 88 Prozent des Niveaus von 2019 liegen.
Hinzu kommt, dass im innerdeutschen Verkehr Lufthansa inzwischen nahezu ohne Konkurrenz ist und die Kapazitäten deutlich unter denen von 2019 liegen. „Es gibt fast nur noch Hub-Verkehr und kaum noch dezentrale Verbindungen“, bedauert ADV-Präsident Beisel.
Preise werden vorerst hoch bleiben
Gab es 2019 zum Beispiel noch 16 Flüge pro Tag zwischen Stuttgart und Berlin, sind es aktuell lediglich sechs. Und daran wird sich so schnell auch nichts ändern: „Für Low-Cost-Flieger ist Deutschland aktuell unattraktiv“, so Ralph Beisel. Die Folge: An den aktuell hohen Preisen – zwischen Stuttgart und Berlin werden One Way zum Teil bis zu 550 Euro aufgerufen – wird sich vorerst nichts ändern.
Dieser Meinung ist auch Christoph Lesch, Luftfahrtexperte der Unternehmensberatung Simon Kucher. Seine Prognose in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Die Flugpreise werden hoch bleiben, Senkungen sind nicht zu erwarten.“ Dies gelte nicht nur für innerdeutsche, sondern auch für internationale Flüge.
Beide Experten beziehen sich dabei nicht nur auf Lufthansa-Chef Carsten Spohr, der vor kurzem ankündigte: „Wir werden bei den Preisen nicht wieder heruntergehen zu den Niveaus, die wir vor der Pandemie gesehen haben.“ Vielmehr beziehen sich ADV-Chef Beisel und Christoph Lesch auf die veränderte Marktsituation und Analysen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie des Luftfahrtverbandes BDL.
Billigflieger: Eine Macht in Europa, Deutschland zu teuer
So wird es 2023 zwar deutlich mehr Flugsitze als 2022 geben. Dennoch rechnet die Branche für Deutschland nur mit 83 Prozent des Angebots im Vergleich zu 2019. Für ganz Europa liegt diese Quote bei rund 96 Prozent.
Das hat auch mit dem bereits erwähnten Teil-Rückzug der Low-Cost-Flieger zu tun. Sie machen europaweit ein Drittel des Luftverkehrs aus und erwarten in vielen Ländern wieder gute Geschäfte – nur nicht in Deutschland. So ist bei Flügen nach Italien inzwischen Ryanair Marktführer – und nicht etwa die einheimisch Ita.
Das hat nicht nur mit der Macht von Eurowings und Lufthansa in Deutschland zu tun, sondern auch mit den Kosten etwa für die Sicherheitskontrollen und die Luftsicherheit. So erhöhte allein die deutsche Flugsicherung 2022 ihre Preise um über 60 Prozent. „Nicht akzeptabel“, hieß es dazu von Ryanair.
Die Folge: Sowohl Easyjet als auch Ryanair stellten alle innerdeutschen Verbindungen ein und bedienen von Deutschland aus nur noch das Ausland. Insofern wird es ein langer Weg zurück zum alten Niveau: Das soll Experten zufolge erst 2026 oder 2027 erreicht werden.