Japan

Japan: Leise bimmeln die Pilgerstöcke

Touristenmagnet, auch für junge Besucher: Auf dem Friedhof von Okunoin unterhalten japanische Firmen Grabanlagen für ihre Angestellten. Fotos: fh, KTO

Klöster, Wälder, Strände: Wakayama ist des Landes „heilige Ecke“

Okunoin ist still. In der Luft hängt der Duft von Zedern, nur wenig Sonnenlicht fällt durch die hohen Baumkronen auf die bemoosten Wege, Tausende von Buddhas und Boddhisattva-Figuren liegen wie hingeworfen auf dem Waldboden. Mitten in der Idylle ragt eine gut acht Meter hohe Rakete aus dem Boden.

Geht es um die beste Startposition ins Jenseits, ist der Okunoin-Friedhof der heiligen Bergwelt von Koyasan die richtige Adresse. Immerhin liegt hier das Mausoleum des Kobo Daishi, des Begründers des Shingon-Buddhismus. Viele große japanische Firmen unterhalten daher in Okunoin eine Grabanlage für ihre Angestellten. Von Nissan und Toyota über Sharp und Panasonic bis Yacult sind alle großen Namen vertreten – und eben auch ein Raketenhersteller. Einige Meter weiter bitten Pharmafirmen per Denkmal um Abbitte bei den zahlreichen Tieren, die ihr Leben bei Tierversuchen lassen mussten, dazwischen schlendern Touristen und Seniorengruppen im weißen Pilgergewand der Buddhisten.

Okunoin ist typisch für Wakayama: Die Präfektur auf der Halbinsel Kii gilt als „heilige Ecke“ Japans. Hier wurde im neunten Jahrhundert die Schule des esoterischen Shingon-Buddhismus gegründet. Schnell entwickelten sich die Berge des Koyasan zum Wallfahrtsort für Buddhisten und Shinto-Anhänger zugleich. Ein ganzes Pilger-Wegenetz, der Kodomo Kodo, wurde geschaffen und wird auch heute noch rege genutzt. Mittendrin: der knallrote Tempel Kongobuji, Zentrum der Shingon-Schule. Drumherum freilich nichts als Stille und das leise Bimmeln der Pilgerstöcke, das die vielen Bären auf Abstand halten soll. Fast scheint es, die Menschen in Wakayama hätten einfach keine Ahnung, was der Westen von Japan erwartet: Keine Spur von Hektik oder Wolkenkratzern. Seit 2004 sind Koyasan und Kodomo Kodo sogar als Unesco-Weltkulturerbe anerkannt.

Wer die transzendentale Stimmung bis zum Letzten auskosten möchte, kommt in einem Shukubo unter – im Gästehaus eines Tempels. Das klingt erst einmal nach harten Pritschen und Mönchszellen und überrascht doch mit großen Zimmern im Stil der Ryokans. Während die Gäste die vegetarische Klosterküche kosten, wird im Zimmer blitzschnell ein dicker Tatami ausgerollt, sogar eine Onsen-Anlage blubbert im Erdgeschoss. Hartgesottene Reisende nehmen auch noch das erste Morgengebet der Mönche um sechs Uhr mit.

Mittlerweile ist Koyasan in den regulären Veranstalterprogrammen aufgetaucht. Bei Meier’s Weltreisen zum Beispiel, deren 18-tägige Rundreise „Land der aufgehenden Sonne“ unter anderem auch eine Nacht am Koyasan vorsieht.
Françoise Hauser
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