Japan

Insel im Goldenen Meer

Sonnenuntergang an der der Seto-See.

Warum sich ein Abstecher nach Shodoshima lohnt

Buddhistische Pilger aus Japan beim Beten vor einem der 88 Tempel. Fotos: wog

Sie winken noch mal lachend herüber, die Fischer auf ihren Kuttern. Dann tuckern sie vom Flecken Oe aus hinaus in die Seto-See, das große japanische Binnenmeer. Oe mit seinen Holzhäuschen, mancher Wellblech-Fassade und blumenbestandenen Innenhöfen ruht träge im gleißenden Mittagslicht. In der hiesigen Nudelfabrik fertigen sie mit altem Gerät und seit mehr als 400 Jahren die dünnen Somen-Nudeln.

Es ist eine stille, ländliche Welt, nur 75 Flugminuten und eine kurze Bootsfahrt vom hektischen Tokio entfernt. Und ein Fleckchen Erde, das mit bemerkenswerten Überraschungen aufwartet. Denn das gebirgige Shodoshima ist nicht nur ein Pilgerzentrum mit 88 buddhistischen Tempeln. Es nennt sich auch Japans "Olive Island": der einzige Platz im Lande, an dem Olivenbäume wachsen.Deshalb werden neben Olivenöl hier auch Olivenschokolade hergestellt und Oliventee, Olivenparfüm und Olivenhandcreme. Als Friedenssymbole gelangten die ersten Bäumchen im Jahre 1907 von Griechenland über Amerika nach Japan, und bis heute gedeihen sie hier prächtig.

140 Kilometer misst der Inselumfang, und erste Erkundungstouren führen in kurzer Zeit zu den touristischen Highlights des Eilandes: hinauf in die bewaldete Hochebene mit ihren famosen Aussichtspunkten und Wanderpfaden, mit den bizarr erodierten Felsaufbauten und der verwegenen Kankakei-Schlucht, durch die eine Seilbahn führt. Entlang der Küstenstraße gibt es Bambushaine, Reis- und Weizenfelder oder Orangenbäume. Der Blick streift über einsame, kleine Strände und fixiert vorgelagerte Mini-Inseln und idyllische Landzungen.

Im Peacock Garden schlagen die Pfauenmännchen mit ihren Gefiedern mächtige, bunte Räder. 500 wilde Affen turnen über Shodoshima. Und wer sie nicht auf den Leitplanken am Straßenrand hocken sieht, der begegnet ihnen mit Sicherheit im Monkey Park.

Mit ein wenig Glück trifft der Besucher auf die Gruppen weiß gekleideter Pilger. Bis zu 50.000 von ihnen zieht es jedes Jahr aus ganz Japan hierher. Ihre buddhistischen Gebetsstätten mit den schönen Gärten liegen teils in den Ortschaften, teils versteckt im Wald oder hoch oben eingeklemmt zwischen Felsaufbauten.

Und auf Shodoshima sprudeln heiße Quellen aus der Erde - auch auf dem Gelände des Hotels Olivean. Im Onsen, dem Naturbad der Anlage, sammelt sich das mineralreiche, 300.000 Jahre alte Wasser in diversen Pools. Das blubbernde Nass ist 42 Grad warm, und die japanischen Gäste schwören auf seine gesundheitsfördernde, ja geradezu magische Wirkung.

Jeden Abend ist von der Terrasse des Olivean auch ein verblüffendes Naturschauspiel zu bestaunen. Zum Ende des Tages gießt die Sonne breite Bahnen orangenen Lichts in die ruhigen Wasser rund um Shodoshima, verwandelt die Seto-See in ein goldenes Meer. Und die Inseln ragen daraus empor wie geheimnisvolle, schwarze Scherenschnitte.
Wolfgang Gessler
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