Abu Dhabi

Weit weg vom Future-Hype

Rücksprache per Handy: Auch auf dem Kamelmarkt in Al Ain wechseln die Tiere auf moderne Weise ihren Besitzer. Foto: jm

In Al Ain gibt es den letzten Kamelmarkt der Emirate

Draußen auf dem Land ist die Welt meistens noch in Ordnung. So auch in Al Ain, eine sandige Provinzstadt, rund zwei Autostunden von Abu Dhabi entfernt, der Hauptstadt der Vereinten Arabischen Emirate. Es herrscht Ruhe und Beschaulichkeit in der Grenzstadt zum Oman.

In den kleinen Restaurants wird man freundlich gemustert und dann im besten arabischen Stil verwöhnt: Für ein paar Euro bekommt der hungrige Gast von Hommos über Tabouleh und Foul Medammes bis zu Shawarmah alles aufgetischt, was der Bauch begehrt. Die Shopping Malls heißen scheinbar alle noch Bazar und der Lieblingsplatz in den ultraheißen Sommermonaten mit bis zu 50 Grad im Schatten ist nicht irgendeine Aircon-Bar, sondern der Hafeet, mit 1.180 Metern eine der höchsten Erhebungen in den Emiraten.

Al Ain ist weit weg vom Future-Hype der Hauptstadt. Daher verwundert es nicht, dass es dort noch den letzten verbliebenen Kamelmarkt der Emirate gibt. Bis zu 5.000 Kamele, genauer gesagt Dromedare, röhren, fauchen oder ertragen in stoischer Ruhe die Hitze und Enge ihrer Boxen.Ein bisschen erinnert die Organisation des Areals an die Regale des nahen Supermarkts: Statt Regale gibt es Boxen für Schlachtvieh und - schon etwas weniger eng - für Zuchtvieh. Daneben drängt sich das Milchvieh und etwas abseits vom normalen Kamelvolk gewähren die edlen Renntiere Audienz. Preisschilder fehlen zwar, die entsprechenden Summen nennt aber Abdullah ungefragt. "1.000 Euro kostet das billigste Schlachtvieh, um 70.000 der fast schwarze Riesenkerl im Rennstall dahinten. Das ist sozusagen ein Formel-1-Dromedar!" Abdullah lacht. Er sei hier der Hofchef, erklärt er. Ob wir mal reiten möchten oder eine Kamelkuh melken?

Ein paar Meter weiter wird offensichtlich ein Deal abgewickelt. Der potenzielle Käufer hält via Handy noch mal Rücksprache. Kann sein, dass der Hintermann nur wenige Meter weiter im blitzsauberen, auf 19 Grad Innentemperatur runtergekühlten S 500 oder aber in einem Hochhausbüro im fernen Abu Dhabi sitzt. Bezahlt wird per Überweisung. Kameltreiber mit Bündeln von Geldscheinen oder Händler, die lautstark ihr Tier anpreisen, gibt es nicht mehr. Leider."

Nein, ein Renntier könnt ihr nicht reiten, aber eines von denen da", sagt Abdullah. Dort geht gerade das Gatter der Schlachttierbox auf. Widerwillig wird ein Dromedar herausgezogen und zur Laderampe gebracht. In den Lkw will es aber partout nicht, als ob das Tier den Tod riechen würde. Sechs Mann mit Seilen und Stöcken sind notwendig, um es auf den Transporter zu bugsieren. Der Wunsch nach einem Ritt ist vergangen."

Gut, dann bleibt es bei 100 Dirham", ist aus Abdullahs Mund zu hören. Das sind immerhin um die 20 Euro oder viermal in einem der kleinen Restaurants in der Innenstadt Essen gehen - für lediglich ein paar informative Sätze, über die nichts vereinbart wurde. Auch draußen auf dem Land scheint die Welt eben nicht immer in Ordnung zu sein, denn auch das Handeln erweist sich als zwecklos. Abdullah will 100 Dirham, bar und sofort.
Jochen Müssig
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