Japan

Ich bin dann mal auf Shikoku

Kukai-Statue mit Pilgergewand im Nankobo-Tempel in Imbari. Foto: rh

Auf dem Hachiju Hakkasho, dem fernöstlichen Jakobsweg

Auf Shikoku, der kleinsten der vier japanischen Hauptinseln, existiert seit Hunderten von Jahren ein 1.200 Kilometer langer Pilgerweg, der Hachiju Hakkasho. Er ist dem Mönch Kukai gewidmet, der im achten Jahrhundert nach Christus den Shingon-Buddhismus begründete. Weil vor allem ältere Menschen dem Religiösen zugeneigt sind, die oft nicht mehr sonderlich gut zu Fuß sind, begeben sich viele Japaner in Bussen oder mit dem Taxi auf diese Pilgertour. In jedem der 88 Tempel, die durch den Hachiju Hakkasho verbunden sind, erhalten sie ein Bild in ihr Pilgerbuch gestempelt.

Pilgern in Japan, das heißt nicht einfach, sein Bündel zu schnüren und zu verkünden, man sei dann mal weg. Es verlangt auch die richtige Ausrüstung. In der billigsten Variante, so hat Reiseleiterin Yumiko Inamine ausgerechnet, kostet das in weiß gehaltene Pilgerset rund 28.500 Yen (circa 285 Euro), inklusive Pilgergewand, Stock, Hut, Rosenkranz mit Glocke und Pilgerpäckchen. "Wir sind zwei", so steht es auf dem weißen Pilgergewand eines Gläubigen, den wir im Nankobo-Tempel in Imbari, dem 55. Tempel der Route, antreffen. Die Aufschrift zeugt von der Verbundenheit mit Kukai, der in Japan oftmals auch Kobo Daishi genannt wird, was so viel heißt wie "großer Heiliger".

Der "große Heilige" gründete die Shingon-Religion, eine esoterisch angehauchte Variante des Buddhismus, in der Tantras und Mantras eine wichtige Rolle spielen. Kukai wurde auf Shikoku geboren, wuchs dort auf und wurde später auch dort begraben. Jedes Jahr, so schätzt man, pilgern 150.000 bis 200.000 Japaner zu den 88 Kukai-Tempeln, doch auch Ausländer begeben sich auf Shikoku mittlerweile immer häufiger auf Sinnsuche. Für eine Pilgerreise zu Fuß sollte man sich sechs Wochen Zeit nehmen, wenn man alle 88 Tempel besuchen will.

Manche der Tempel sind einsam und abgelegen, andere, wie der Ishiteje-Tempel, der 51. auf dem Hachiju Hakkasho, sind fast schon überlaufen. Kein Wunder, denn das hölzerne Eingangstor des so genannten "Tempels der steinernen Hand" gilt als japanisches Nationalheiligtum. Zudem liegt die Pilgerstätte nahe an dem bei Japanern beliebten Thermalbad Dogo Onsen.

Neben der obligatorischen Statue des Kobo Daishi, der Haupthalle mit buddhistischen Figuren und der dreistöckigen Pagode fallen im Ishiteje-Tempel einige Besonderheiten ins Auge. Zum einen sieht man hier eine Ansammlung von beschrifteten Kieselsteinen. Sie wurden von Frauen abgelegt, die hier um ein Kind gebetet hatten. Zum anderen 88 akkurat angebrachte Säckchen, die mit Sand aus den verschiedenen Tempeln gefüllt sind. Wer alle Säckchen berührt, kommt zwar nicht ganz so sicher ins Paradies, wie jemand, der alle 88 Tempel persönlich besucht hat. Doch er ist den himmlischen Freuden schon ein ganzes Stück näher gekommen.
Rainer Heubeck
Anzeige