China

Auf den Spuren des Fengshui

Haus mit Drachenloch. Foto: fh

Hongkong: Drachen, Dämonen und Erdenergie gehören zum Stadtbild

Falls Sie zu den Leuten gehören, die noch immer glauben, Hongkongs Rückkehr nach China hätte etwas mit Verhandlungen und Verträgen zu tun gehabt: falsch! Schuld daran ist in Wirklichkeit die Bank of China, die mit ihrem Neubau im Dreiecksdesign ab 1985 ihre „Dolche“ aussandte und damit das Fengshui des britischen Government House zerstörte.

In Hongkong und auf dem chinesischen Festland wirkt diese etwas ungewöhnliche Geschichte keineswegs seltsam. Denn Fengshui, die „Lehre von Wind und Wasser“, spielt hier eine große Rolle, egal ob es um Häuser, Straßen, Gräber, Gärten oder sogar die Wohnungseinrichtung geht.

Sinn und Zweck dieser fernöstlichen Geomantik ist es, den Energiefluss der Natur nicht zu stören oder ihn gar für den Menschen positiv zu nutzen. Beim Bau eines neuen Hauses muss also ein Fengshui-Profi her. Meist ist es ein Wahrsager, und ganz sicher nicht irgendeiner – gute Geomantiker sind Monate im Voraus ausgebucht!

Mithilfe des Fengshui-Kompasses berechnen sie beispielsweise die richtige Platzierung des Gebäudes im Verhältnis zu den Himmelsrichtungen und den umliegenden Bergen, bestimmen die Position der Eingangstür und lenken mit Mauern, Spiegeln, Blumen und anderen Accessoires die Energieströme so, dass die guten Einflüsse erhalten bleiben, während schlechte Energien abgewehrt werden. Selbstverständlich ist auch, dass das Chef-Büro in der nordwestlichen Ecke des Gebäudes liegt, die als besonders energiegeladen gilt.

Für den aufmerksamen Beobachter ist Fengshui überall in der Stadt sichtbar. Zum Beispiel am Hauptgebäude der HSBC Bank in Central: Auf dem Dach des Gebäudes wehren zwei Masten die bereits erwähnten schädlichen Einflüsse der Bank of China ab, während die beiden Löwen am Eingang Dämonen davon abhalten, hier ein Konto zu eröffnen oder anderen Schabernack zu treiben.

Auch Disneyland Hong Kong ist komplett nach den Regeln des Fengshui errichtet worden: Gleich am Eingang versperrt Mickey Mouse mit einer Statue Dämonen den Zutritt, und überall sorgen Brunnen, Seen und Bäche dafür, dass das Glück in die Freizeitanlage gespült wird. Gleichzeitig sind alle Gebäude so ausgerichtet, dass sie zum Meer zeigen.

Wie ernst es den Hongkonger Chinesen mit dem Fengshui ist, beweisen zudem die zahlreichen Drachenlöcher in der Stadt. Das berühmteste „Loch-Haus“ steht an der Repulse Bay im Süden von Hong Kong Island: Hier wurde in bester Lage ein achtstöckiges großes Loch mitten in einem Apartmentkomplex freigelassen, um den Drachen von Kowloon, dessen Name sich wörtlich mit „neun Drachen“ übersetzt, weiterhin den Weg zum Wasser zu ermöglichen. Hongkongs Wohlstand ist schließlich just jenen Drachen zu verdanken, die hier zum Wasser kommen. Ihnen das tägliche Bad zu verwehren, wäre geradezu fahrlässig.

Dass die Drachen ausgerechnet in Hongkong so umhegt werden, ist kein Zufall: Bis zur Öffnungspolitik galt das traditionelle Fengshui in der Volksrepublik als rückständig und bourgeois. Heute gehört jedoch auch in Shanghai der Geomantiker längst wieder zum Hausbau dazu.

Francoise Hauser

Touren
Zahlreiche weitere Beispiele bieten die englischsprachigen Fengshui-Touren des Hong Kong Tourism Board (www.discoverhongkong.com) und von Walk Hong Kong (www.walkhongkong.com).

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