China

Wo die wilden Maschinen wüten

Bis zu 500 Meter tief: die Longshui-Schlucht. Fotos: fh

Die Karstlandschaft von Wulong hat es längst in die internationalen Kinos geschafft

Transformer-Fans kennen Wulong bereits – allerdings ohne sich dessen bewusst zu sein. Die gigantischen Naturaufnahmen des vierten Teils „Transformers: Ära des Untergangs“ wurden im südwestchinesischen Geopark der Wulong-Karstlandschaften gedreht.

Anders als vereinbart vergaßen die Produzenten jedoch, das Logo „Wulong China“ einzublenden und erweckten so den Eindruck, die Aufnahmen seinen in der Nähe von Hongkong entstanden. Ein echtes Tourismusdrama für die abgelegene Region, das, so die letzten Meldungen im August 2014, in einem Rechtsstreit enden könnte. Denn das touristische Product Placement war nach chinesischen Angaben vertraglich zugesichert.

Wer die Haltung der Behörden in Wulong verstehen will, muss selbst in den Südwesten fahren. Ein bisschen Sitzfleisch braucht man dazu allerdings schon. Ab Chongqing sind es gut 200 Kilometer über Landstraßen, die zeigen, dass sich selbst die statistisch größte Stadt der Welt einige, gelinde gesagt, ziemlich abgelegene Gebiete leistet.

Der Beginn der Tour ist geradezu profan: Mitten in den Bergen wirkt der gewaltige Busparkplatz – man hat auf Zuwachs gebaut, immerhin ist Wulong Unesco-Weltnaturerbe – ein wenig deplatziert. Gleich nebenan lassen immerhin einige Dolinen ahnen, dass es sich um eine Karstlandschaft handelt.

Nach einigen Minuten durch einen steilen Höhlenabstieg geht es in den – Aufzug! Inmitten der grandiosen Natur rumpelt die gläserne Kabine, stets vollgepackt mit chinesischen Touristen, etliche Mal in die Tiefe, bis alle Besucher in der der Longshui-Schlucht angekommen sind.

Danach heißt es Unterkiefer herunterklappen und staunen: Über fünf Kilometer zieht sich die wilde Landschaft durch die Schlucht, deren Wände sich rechts und links bis zu 500 Meter erheben. Nebelig, feucht, üppig grün, ein bisschen verwunschen, und all dies vor dem Hintergrund einer Plätschersymphonie aus Bächen, Wasserfällen und Tropfen, die sich zu Abertausenden in die Tiefe werfen. Immer wieder tun sich Höhlen auf, verschwinden Wasserläufe, nur um einige Meter weiter an anderer Stelle wieder aufzutauchen.

Gut zwei bis drei Stunden wandert und klettert der Besucher an den steilen Wänden entlang, über schmale, in den Felsen gehauene Pfade: Gesichert, aber oft in schwindelerregender Höhe.

Kein Wunder, dass sich Wulong geradezu ideal als dramatischer Hintergrund eignet. Das Historiendrama „Fluch der Goldenen Blume“ von Zhang Yimou (genau, der Regisseur, der auch die Olympiade-Eröffnung in Peking choreographierte) wurde hier gedreht – und eben wichtige Passagen des vierten Transformer-Films.

Westliche Touristen sind trotz der filmischen Unterstützung bisher allerdings eher die Ausnahme. Spätestens das Angebot des kleinen Bauernmarktes am Ausgang der Longshui-Schlucht bestätigt diese Vermutung.

Anstelle des üblichen Nippes gibt es lokale Mandarinen. Und natürlich getrocknetes Fleisch. Dies allerdings nicht in appetitlichen Häppchen, sondern am kompletten Tier. Dachse, Hunde, Rehe und das eine oder andere unbekannte Vieh von verstörender Größe. Auch wenn das mit dem Transformer-Product Placement noch klappen sollte – diese Spezialitäten dürften nur schwer den Weg in die westlichen Koffer finden.
Francoise Hauser
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