Spanien

Tourismus im Schichtwechsel

Die Festung von Ibiza-Stadt gehört zum Unesco-Welterbe.

Die Festung von Ibiza-Stadt gehört zum Unesco-Welterbe.

Ibiza: Die Baleareninsel will ihre Party-Gäste behalten – und flirtet neue Zielgruppen an

Viele Badeorte Ibizas haben sich auf Kinder eingestellt.

Viele Badeorte Ibizas haben sich auf Kinder eingestellt. Fotos: pa

Es ist später Vormittag, an der Promenade von Sant Antoni ist nicht viel los. Der Ort an der Westküste Ibizas schläft sich noch aus, die Jugend feiert bis zum Morgengrauen. Sagt Reiseleiter Miguel. Grau ragt die Pyramide des Es Paradis in den wolkenfreien Himmel, eine Disco, die für ihre Aqua-Partys bekannt ist: Zum Finish wird die tiefergelegte Tanzfläche geflutet. Auch der größte Nachtclub der Welt ist nicht weit, das Privilege für rund 10.000 Besucher. Weitere Clubs wie das Space, Pacha und Amnesia schaffen Flächen für Tanztolle; nicht zu vergessen das Café del Mar, unter dessen Namen sich Musik-Sampler in Endlos-Schleife verkaufen.

Yachten dümpeln im Mittagsschlaf
An der Pier werden die ersten Waschbrettbäuche und Bauchnabel-Piercings ausgeführt. Familien steigen in ein Ausflugsboot mit Glasboden ein. Sie werden entlang der Küste tingeln, den Meeresgrund studieren und zum Baden in türkisfarbener Bucht ankern. Yachten und deren Besitzer dämmern lethargisch in der Mittagssonne und wachen auf, als die Kinder kreischend ins Wasser köpfen. Die siebenjährige Lara findet die Bootsfahrt „richtig schön“. Und Tom, neun Jahre alt, hat an seinem Ibiza-Urlaub „nur die Altstadt mit den Geheimgängen und kleinen Gassen noch besser gefallen.“ Auch als Erwachsener stellt man fest, dass einem nichts fehlt zum Glück. Und man fragt sich, warum man eigentlich bis in die Karibik fahren soll, wo der Traum in Blau, Türkis und Weiß so nahe liegt. Am Restaurant „Ses Roques“ an der Platja de Cala Comte kann man sich ausladen lassen, und diese Chance sollte man ergreifen. Unter Sonnensegeln mit Blick auf das Meerfarbenspiel wird die Spezialität des Hauses serviert: Paella und zum Nachtisch Graixonera, ein teigiger Kuchen mit Zimt.

Familien – mit dieser Zielgruppe flirtet das Tourismusbüro von Ibiza in jüngster Zeit verstärkt. Denn es will sie alle: die Party-People, die Kinder, die Geschäftsreisenden, die Luxuskunden und die aktiven Touristen. Und wie es aussieht, ergänzen sie sich perfekt. Wo sich nachts die Jugend zu wummernden Beats schlängelt, schiffen anderntags Eltern und Kinder ein. Tourismus im Schichtwechsel. Damit die Party-Leichen nicht mit dem Berufsverkehr kollidieren, werden sie von den Clubs mittlerweile um sechs Uhr morgens ausgekehrt. „Früher ging das bis um acht oder länger“, sagt Reiseführer Miguel.

Unter den Hotels auf Ibiza gibt es großzügige Fluchtburgen für Familien, beispielsweise das Drei-Sterne-Clubhotel Cala Blanca an der Bucht von Es Figueral. Das Mitglied der ibizenkischen Invisa-Hotelgruppe (buchbar unter anderem über ITS) bietet mehrere Pools, Miniclub, Animation und Essen zur Genüge. Wem das nicht reicht, macht Ausflüge (siehe Kasten). Rund 60 Prozent der Ibiza-Touristen sind Familien, schätzt Fremdenverkehrsamtschefin Carmen Sánchez, und ergo wird die Klientel vielerorts hofiert.

Hotellerie greift nach den Sternen
Auch einige der Landhotels sind auf Familien spezialisiert, etwa das Gut Can Marti im Norden der Insel. Obst und Gemüse werden auf dem Anwesen ökologisch angebaut, und die Tiere dürfen gestreichelt werden. Gegenwärtig hat das Tourismusbüro 21 Anlagen als Landhotels klassifiziert. Ihnen ist gemein, dass sie alle vor 1960 erbaut wurden und auf landwirtschaftlichen Flächen stehen. Wer nicht aufs Geld schauen muss, kann zwischen vier neuen Luxushotels wählen, die in den vergangenen drei Jahren entstanden sind. Der Griff nach den Sternen ist von der Inselregierung gewollt: Sie segnet nur noch Bauvorhaben der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie ab. Jüngstes Projekt ist die Festungsanlage in Ibiza-Stadt, die in den nächsten zwei Jahren für zwölf Millionen Euro zu einem Parador umgebaut werden soll. Paradores sind staatlich betriebene Drei- bis Fünf-Sterne-Hotels in historischen Gemäuern. Die Festungsanlage in der Ciutat d’Eivissa stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde von der Unesco als die „am besten erhaltene Küstenfestungsanlage im Mittelmeerraum“ zum Welterbe ernannt.

Geschäftstüchtige Blumenkinder
Die ersten Inseltouristen waren noch bescheiden. Sie landeten den 1960er Jahren als Hippies an, um von Luft und Liebe zu leben. Die Blumenkinder haben sich bis in die heutige Zeit fortgepflanzt, allerdings sind sie geschäftstüchtig geworden. Auf Wochenmärkten in Las Dalias und Es Canar bieten sie Urlaubern Lederwaren und Perlenketten an, Rauchutensilien, esoterische Glücksbringer und CDs. Regenbogenfarbene Tücher bauschen neben Röcken mit Troddeln und Häkelbordüren. Es riecht süßlich, krautig, nach Räucherstäbchen und Joint. Die Neo-Hippies legen kaum noch selbst Hand an, sie handeln überwiegend mit Massenware aus Asien. Tonja, 13 Jahre, die über den Markt in Las Dalias bummelt, stört das nicht: „Es gibt echt tolle Sachen hier“, schwärmt sie und zeigt auf ein T-Shirt. Überhaupt fühlt sie sich auf Ibiza wohl, und vermisst hat sie fast nichts: „Eigentlich nur mein weiches Bett und meine Karate-Stunden.“
Pilar Aschenbach
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