Frankreich

Nantes: Von Herzögen und Maschinen

Jules Verne lässt grüßen: Der überdimensionale Fantasy-?Elefant stampft durch den Park „Machines de l’Ile“. Foto: rie

Die westfranzösische Metropole hat als Städtereiseziel viel zu bieten

„Reiseführer schlagen Nantes fälschlicherweise oft der Bretagne zu“, sagt Agnes Poras, und es klingt fast ein wenig beleidigt. Etwa, weil die westfranzösische Metropole spätestens im 16. Jahrhundert den Wettstreit mit ihrer Konkurrentin Rennes um die politische Führung der Region verloren hat? Vielleicht. Denn Nantes, obwohl heute Hauptstadt der Region Pays de la Loire, ist mit der Bretagne geschichtlich eng verwoben. „Rennes hat die Regierung und das Parlament bekommen, bei uns hingegen lebten die Könige“, schiebt die Stadtführerin mit Nachdruck hinterher.

Das glaubt ihr der Besucher aufs Wort, wenn er auf das imposante Château des Ducs de Bretagne schaut. Umgeben von trutzigen Mauern und Burggraben ist die ehemalige Residenz der bretonischen Herzöge und später auch der französischen Könige ein beliebter Anlaufpunkt für Touristen – nicht nur, weil das über 500 Jahre alte Schloss mitten in der Stadt und unweit der Loire steht. Es beherbergt auch das Historische Museum mit 850 Exponaten und vielen Multimedia-Installationen.

Sich dann auch selbst auf die Suche zu machen, ist selbst für gemütliche Spaziergänger keine übermäßige Herausforderung. Zwar ist Nantes mit knapp 300.000 Einwohnern inzwischen die sechstgrößte Stadt Frankreichs, in ihrem Kern jedoch eine der kurzen Wege. So muss man kaum die Schlossbrücke überqueren, um sich in beschaulichen, mittelalterlichen Gassen wiederzufinden. Auch die gotische Kathedrale St. Pierre et St. Paul mit ihren fast 40 Meter hohen Gewölben ist nur einen Steinwurf entfernt.

So eindrucksvoll das Erbe der Bretagne auch ist – schnell wird dem Besucher klar: Viel mehr als mit ihrer früheren Region ist diese Stadt mit ihrem Fluss verbunden. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Ufer der Loire hier zum Muscadet und somit zu den renommiertesten Weißweingebieten zählen. Vor allem aber war es der Wasserstraße zu verdanken, dass sich Nantes im 17. und 18. Jahrhundert zur wichtigsten Hafenstadt des Landes aufschwingen konnte. Noch heute zeugen die renovierten Prachthäuser der Ile Feydeau davon, wie sich die Seefahrer mit Sklaven- und Dreieckshandel eine goldene Nase verdienten. Und wer durch das neoklassizistische Quartier Graslin oder die vor Barock strotzende Einkaufspassage Pommeraye flaniert, bekommt den Mund vor Staunen kaum noch zu.

Das kann dem Touristen aber auch gut an anderer Stelle passieren. Nämlich auf der städtischen Loire-Insel Ile de Nantes, wenn ihm unvermittelt ein zwölf Meter hoher und 40 Tonnen schwerer Fantasy-Elefant schnaufend entgegenstampft. Der Koloss aus Stahl, Holz und Leder ist sozusagen das Flaggschiff des erst 2007 eröffneten Freizeitparks „Machines de l’Ile“, für den auch Jules Verne Pate stand. Schon als kleiner Junge war der berühmte Schriftsteller von der Atmosphäre der Seefahrt und des Reisens beeindruckt, die im Nantes des 19. Jahrhunderts noch an jeder Ecke zu spüren war. Sie war Inspiration für seine fantastischen Abenteuerromane, die ihm später zu Weltruhm verhelfen sollten. 100 Jahre nach seinem Tod konnte er sich endlich dafür bei seiner Stadt revanchieren.
Thomas Riebesehl
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