Frankreich

Paris: Shopping Malls der guten alten Zeit

Die prächtige Galerie Vivienne lädt zum Flanieren oder Kaffeetrinken ein.

Ein Spaziergang durch die historischen Einkaufspassagen von Paris

Abgeblätterter Charme der Vergangenheit: die Galerie Véro-Dodat hat schon mal bessere Zeiten gesehen. Fotos: rie

Traurig leer stehende Boutiquen, eingeschlagene Spiegelscheiben und die Farbe blättert von den filigranen Stucksäulen langsam ab – kein Zweifel, die Pariser Galerie Véro-Dodat hat schon bessere Tage gesehen. Und doch zieht die Passage jeden, der sie durchschlendert, mit einem ganz eigenen Charme in ihren Bann. Es ist der Hauch einer glorreichen Vergangenheit, der an diesem Ort noch immer zu spüren ist, wenn der Blick über liebevoll geschwungene Schaufensterbögen schweift. Oder wenn man in den leicht angestaubten Inschriften darüber liest, wie viel Handwerkskunst hier heimisch war.

Über 100 solcher überdachten Einkaufsmeilen wurden einst in Paris gebaut, die meisten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie waren Sinnbild für den Aufstieg der französischen Hauptstadt als Handels- und Finanzmetropole und somit eigentlich auch historisches Vorbild heutiger Shopping Malls. Besonders das neureiche Bürgertum tummelte sich dort und ließ in noblen Schuhgeschäften oder bei exklusiven Weinhändlern gerne sein Geld. Ein paar Jahrzehnte später war das jedoch schon wieder vorbei: Neue Kaufhäuser entstanden und sorgten für den Niedergang der Passagen, die vielerorts verfielen. Heute gibt es in der Innenstadt leider nur noch etwa 20 davon.

In jüngerer Zeit haben die Pariser allerdings den kulturellen, kommerziellen und wohl auch touristischen Wert dieser Schmuckstücke erkannt, denn seit den 1980er Jahren werden sie nach und nach restauriert. In einigen Passagen ist er somit schon wieder eingezogen, der Glanz der guten alten Zeit, etwa in die Galerie Vivienne im 2. Arrondissement, für viele die „Königin der Pariser Passagen“. Und ja: Es ist beeindruckend, makellosen italienischen Mosaikboden unter den Füßen zu haben, auf lichtdurchflutete, reich verzierte Arkaden hinaufzublicken und zu bemerken, dass auch Modezaren wie Jean-Paul Gaultier hier ein Plätzchen gefunden haben.

Sicherlich profitiert die Galerie auch von ihrer Nähe zum berühmten Palais Royale im Regierungsviertel, der für einen selten versiegenden Besucherzustrom sorgt. Dort, wo nur einen Steinwurf vom Louvre entfernt schon Ludwig XIV. seine Kindheit verbrachte und 1789 Revolutionsführer Camille Desmoulins zum bewaffneten Aufstand aufrief, entstand im späten 18. Jahrhundert sozusagen der Prototyp der Pariser Passagen: rund 60 Häuser um den Palastgarten, gesäumt von mehreren hundert Meter langen Arkadengängen. Bereits damals konnte man in ihnen trefflich flanieren, denn Läden und Restaurants, aber auch Vergnügungsetablissements gehörten von Beginn an zum festen Inventar.

Heute jedoch ist der Palais-Passage ebenso wie der zwei Häuserblocks entfernten Galerie Véro-Dodat anzusehen, dass sie in die Jahre gekommen ist: Viele Geschäfte stehen momentan leer – noch. Denn unter den Arkadenbögen wird unablässig gewerkelt, zu altehrwürdigen Boutiquen gesellen sich immer mehr mondäne Shops französischer oder US-amerikanischer Designer. „Seitdem schießen hier die Preise in die Höhe“, sagt eine Stadtführerin. Das allerdings wird den Passagengänger wenig stören, solange er nichts kauft – oder aber im Nobelrestaurant Le Grand Véfour Platz nimmt. Dort kostet das „Menue Plaisir“ nämlich die Kleinigkeit von 268 Euro.
Thomas Riebesehl
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