Kroatien

Wie zu Kaisers Zeiten

Opatija: Fußgänger können auf der Promenade Lungomare spazieren. Foto: cd

Adria nostalgisch: In der Kvarner Bucht lebt der Geist der Belle Époque

Die Spaßgesellschaft ist keine Erfindung der Gegenwart. Flanieren, feiern, flirten – schon vor mehr als 100 Jahren traf man sich an der Riviera von „Abbazia“, wie sich Opatija damals noch nannte. Beide Namen gehen auf das Wort für „Abtei“ zurück, denn die kleine Jakobskirche direkt am Meer war der Grundstein für die Siedlung, die zur Zeit der Belle Époque zum österreichisch-ungarischen Reich gehörte.

Doch das verschlafene Fischerdorf im heutigen Kroatien wurde erst durch die optimale Verkehrsanbindung zum „Curort“ der Habsburger. Ab 1884 betrieb die „Südbahngesellschaft“ die Eisenbahnlinie von Wien bis nach Rijeka. Ein beispielloser Bau- und Tourismus-Boom setzte ein. Im gleichen Jahr eröffnete nach nur zehn Monaten Bauzeit das Quarnero als erstes Hotel. Elegante Villen und Nobelherbergen wurden in Rekordgeschwindigkeit entlang der felsigen Küste mit dem leuchtend grünblauen Wasser errichtet.

„Der Zug der Zeit geht nach dem Großartigen und Schönen“, vermeldete die „Kur- und Badezeitung“ im Mai 1909. Die Crème de la Crème Europas flanierte durch prachtvolle Parkanlagen, atmete „Meeresaerosol“ gegen Husten und Hysterie, genoss Konzerte sowie von Wiener Zuckerbäckern angeliefertes Naschwerk. Sogar ins Wasser wagte man sich. Allerdings wurde damals für die Badekostüme noch meterweise Stoff gebraucht.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges war Schluss mit lustig. Aus Luxusherbergen wurden Lazarette. Die Opatija-Riviera fiel 1918 an Italien und nach dem Zweiten Weltkrieg an Jugoslawien. Zwar galt Opatija auch im Sozialismus als beliebtes Reiseziel, doch der Glanz von einst war dahin.

Erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs beginnt die Renaissance der schönen Küste und die Renovierung der Bausubstanz. Opatija hat sich bis heute das Flair der Belle Époque erhalten. Das Quarnero, heute Hotel Kvaner, wacht wie eine alternde Diva an der Küste. Demnächst wird das Haus einer Schönheitsoperation unterzogen. Mit der einstigen Villa Neptun, wo Vladimir Nabokov als Kind einen Sommer verbrachte, ist dies schon geschehen. Die schmucke Herberge in traumhafter Lage bietet zeitgemäßen Vier-Sterne-Komfort mit wunderbarer Küche.

Vor dem Haus führt der Lungomare vorbei, die zwölf Kilometer lange Fußgängerpromenade direkt am Meer. Denn die „erste Reihe“ war in Opatija schon immer fürs allgemeine Publikum reserviert. Worum andere Küsten über Jahrzehnte ringen mussten, nämlich den Zugang zum Meer wieder überall für alle zu öffnen, war im damaligen Abbazia von Anfang an geplant und bereits 1911 in voller Länge fertiggestellt – und ist bis heute ein unschlagbares Argument für Opatija.
Claudia Diemar
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