Griechenland

Siphnos: Gold, Keramik und ein Prophet

Weiße Kirche über azurblauem Meer – so muss eine griechische Insel aussehen. Foto: rh

Auf der Kykladen-Insel kann man wandern, baden oder nichts tun

Der Prophet empfängt uns nach knapp zwei Stunden. Im frühen Morgenlicht haben wir den Stufen-Pfad zu seinem Gipfel erklommen, 682 Meter über dem kobaltblauen Meer. Der Profitis Ilias ist die höchste Erhebung von Siphnos, der vierten der sechs westlichen Kykladen. Rund fünf Stunden braucht die Fähre von Athen.

Zehn Taxis warten bei der Ankunft des Schiffs an der Mole – die gesamte Flotte. Im Herbst und Winter geht meist nur eine Handvoll Fremder von Bord. Und so steht Antoni an diesem Abend noch ohne Kunden am Kai. Unser Glück! Denn mit einem Lächeln und ein paar Brocken English bringt er uns von Kamares hinauf nach Apollonia. Fast die Hälfte der gesamten Inselbevölkerung wohnt hier, in der „Hauptstadt“: knapp tausend Menschen. Einer von ihnen ist Margarita. Sie vermietet Zimmer, auch außerhalb der Saison.

Antoni parkt sein Taxi vor einem frisch geweißten Kirchlein, die Gassen sind nun für Autos zu schmal. Sicher geht er im Dunkeln voran. Margarita ist seine Frau. Rasch ruft diese noch bei Olga an, ob sie ihr Restaurant heute geöffnet hat. Wir sind Olgas einzige Gäste, es gibt Salat aus Zwiebeln, Trauben und getrockneten Tomaten, Kichererbsen- und Zucchinibällchen, Makkaroni-Auflauf, Käse – und zum Nachtisch spendiert die Wirtin Pistaziencreme.

Keramik, ein wenig Wein- und Olivenanbau, vor allem aber der Tourismus sind die Einnahmequellen der Siphnoten. In der Antike wurden Silber, Gold und Blei auf der nur 75 Quadratkilometer großen Insel abgebaut. Einige Relikte dieser Minen lassen sich noch heute erkennen – auch vom verlassenen Kloster auf dem Gipfel des Profitis Ilias aus. Weich gefaltet zeigt sich die Landschaft von hier oben, mit viel Grün sogar noch nach dem Sommer, der Siphnos scharenweise Gäste vom griechischen Festland, aber auch aus vielen anderen Regionen Europas beschert.

Eine Handvoll schöner, mit dem Leih-Moped rasch zu erreichender Badebuchten, weiße Bilderbuch-Dörfer, fast so viele Kirchlein, wie das Jahr Tage hat, und ein weites Wanderwegenetz erwarten die Gäste. Mehr als 200 Privatvermieter bieten Unterkunft – und auch ein paar gehobene Hotels wie das Galini in Apollonia oder die Elies Resorts und Verina Suites im Strandort Platis Gialos.

In Apollonia, dessen Viertel sich mit steilen, weißen Treppengassen an drei Hängen hinaufziehen, pulsiert im Sommer das Leben mit Schmuckwerkstätten, Kafenions und kleinen Lokalen. An den Stränden locken ein, zwei Tavernen mit Stühlen und Tischen zum Tafeln bei Sonnenuntergang, zu Ehren des Propheten Ilias und zweier Heiliger wird kräftig gefeiert.

Aber auch im Frühling und Herbst herrscht freudige Stimmung bei den Siphnoten – sei es zu Ostern, zur Olivenernte (an der man als Gast gerne teilnehmen kann), bei Taufen, Hochzeiten oder wenn die Renovierung eines Kirchleins abgeschlossen ist. Dann wird aufgetischt für alle, der Pope greift zur Fidel, ein zweiter Mann spielt die Bouzouki, und rasch finden die Füße den Rhythmus für einen Sifneikos, Ballos oder Sirtos, die traditionellen Tänze der Insel.
Rita Henss
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