Deutschland

Potsdam: Berlins kleine Schwester wird erwachsen

Das Brandenburger Tor in Potsdam. Fotos: TMB Sanssouci Böttcher PTM

Die Stadt ist vom Tagestourismus geprägt, lohnt aber eine eigene Reise

Längst ist die Zeit vorbei, in der man Berlin-Touristen den Tipp geben musste: Fahrt doch mal nach Potsdam, der Abstecher lohnt sich. Berlins kleine Schwester ist längst erwachsen geworden. Die Brandenburger Landeshauptstadt ist zwar stark durch Tagestourismus geprägt – nicht nur, aber vor allem aus Berlin. Viele Urlauber aus dem In- und Ausland haben erkannt, dass die alte Residenzstadt eine eigene Reise wert ist. Ameropa, die Rewe-Gruppe, Neckermann und zahlreiche Busveranstalter schnüren entsprechende Pakete.

Zahlen, die für sich stehen: 18,3 Millionen Tagesreisen nach Potsdam wurden nach einer Studie der Dwif-Consulting im Jahr 2009 unternommen. Wer zum Kurzurlaub anreiste, blieb im Schnitt 2,4 Tage. Im Vorjahr waren das (bis Ende November) 360.000 Urlauber. Die Übernachtungen kletterten auf gut 830.000. Der Ausländeranteil betrug 2009 immerhin 10,6 Prozent, nämlich gut 37.000 Gäste; ihre Übernachtungen machten fast 12 Prozent aus. Herkunftsland Nummer eins sind die Niederlande, gefolgt von Großbritannien.

Jenseits aller Statistiken bietet Potsdam so viel Flair und Sehenswürdigkeiten, dass 2,4 Tage bei Weitem nicht ausreichen. „Leuchtturm“ ist natürlich Schloss Sanssouci mit dem berühmten Terrassengarten im Park Sanssouci, dem neuen Palais, Schloss Charlottenhof, der Orangerie und weiteren Prachtbauten. Die Gesamtanlage hat Potsdam immerhin den Unesco-Weltkulturerbe-Status beschert.

Das bei Sanssouci liegende, idyllische Krongut Bornstedt mit seinen Galerien, Läden und Gastwirtschaften rangiert übrigens auf Platz zwei auf der Beliebtheitsskala der Potsdam-Besucher. Der Filmpark Babelsberg, der zum Teil atemberaubende Blicke hinter die Kulissen von Film- und TV-Produktionen gestattet, hat es auf Platz drei geschafft.

Auf der Hitliste steht auch Schloss Cecilienhof. Der letzte Schlossbau der Hohenzollernherrscher im englischen Landhausstil, in dem heute auch ein Hotel untergebracht ist, ist durch die hier tagende Potsdamer Konferenz nach Ende des Zweiten Weltkrieges bekannt geworden. Als Relikt der Bundesgartenschau 2001 erfreut sich die Biosphäre Potsdam, eine gigantische Tropenhalle, großer Beliebtheit.

Als der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. an den Ausbau Potsdams zur Garnisonsstadt ging, importierte er kurzerhand die benötigten Handwerker aus Holland. Sie wurden in 130 Backsteinhäusern untergebracht, die Mitte des 18. Jahrhunderts im Holländerstil errichtet wurden. Das Holländische Viertel ist mit seinen Boutiquen, Läden und Cafés einer der quirligsten Hotspots der Stadt.

Ruhiger geht es in der Russischen Kolonie Alexandrowka zu, einer Ansammlung von zwölf Holzhäusern im russischen Blockhausstil rund um eine russisch-orthodoxe Kirche. Das Ensemble wurde im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts angelegt und ist eines der begehrtesten Fotomotive der Potsdam-Touristen. Auch der 1919 bis 1922 erbaute Einstein-Turm auf dem Telegrafenberg gehört dazu. Das Observatorium, der wohl kühnste Bau des Architekten Erich Mendelsohn, diente dazu, Einsteins Relativitätstheorie zu beweisen.

Und noch ein Bau darf in keinem Potsdam-Fotoalbum fehlen: die durch den Agentenaustausch im Kalten Krieg bekannt gewordene Glienicker Brücke über die Havel. Sie verbindet beide Schwestern: Berlin und Potsdam.
Horst Schwartz
Anzeige