Griechenland

Inselbesuch im Schnellverfahren

Farbspiel in Blau: In der Hochsaison ist Santorin nur aus der Ferne wirklich schön. Fotos: jm

Santorin ist nur in der Nebensaison einen Besuch Wert

Eine Registrierkasse? Makis von der Tankstelle zuckt die Schultern. Einen Computer mit Abrechnungsprogramm? Nikos von der Taverne schüttelt auf die Frage nach einem Beleg verneinend den Kopf. Und auch das Reisebüro in Oia hat weder das eine noch das andere. Für zweimal 30 Euro gibt es einen handgeschriebenen Beleg für "2 Pax" und Tournummer für einen Törn auf einem der zahlreichen Segler in der Caldera von Santorin.

Europa wundert sich, dass Griechenland pleite ist. Aber wie soll es anders sein, wenn so vieles handschriftlich an der Steuer vorbei gewirtschaftet wird? Die Passagiere auf der "Thira" wiederum wundern sich, dass der Segler trotz des schönen Winds in der Caldera nicht segelt, sondern alles mit dem Diesel fährt. Kapitän Petros hat jedoch einen festen Plan mit genauen Abfahrts- und Ankunftszeiten. Weit mehr als ein Dutzend Schiffe wollen täglich koordiniert sein. Da bleibt keine Zeit fürs Kreuzen, Wenden oder anderen sentimentalen Kram.

Alles fing auf Santorin mit einem mächtigem Knall an. Ein gewaltiger Vulkanausbruch vor 3.500 Jahren sprengte die Insel auseinander. Zum größten Teil versank sie im Meer. Der Rest jedoch ist europaweit einmalig: Die Ränder des mächtigen Vulkankraters ragen steil aus der Ägäis. Und im Krater kann man baden, segeln oder eben den Motor anwerfen.

Von den kleinen Inseln in der Caldera und von den Dörfern auf dem Kraterrand wirkt Santorin bilderbuchschön. Aber bis zu sieben große Kreuzfahrtschiffe ankern häufig unterhalb von Fira, dem Hauptort. Das Gedränge in den engen Gassen ist dementsprechend und erinnert eher an die U-Bahn in Tokio zur Stoßzeit als an ein verträumtes griechisches Dörfchen.

Petros Caldera-Törn ist simpel: ab Oia Fahrt durch die Caldera zu den heißen Quellen bei der Insel Palea Kameni, die aber bereits von den Gästen vier anderer Motorsegler belagert sind, dann weiter nach Nea Kameni mit kurzer Einführung in die vulkanische Geschichte, mit kleinem Vorsprung auf zwei folgende Boote. Und zum Abschluss ein Essen in einer Taverne von Thirasia, das sich allerdings als Hop-Hop-Abfüllen mit grätigem Fisch und kalten Pommes herausstellt.

Dabei hat Santorin alles: tiefblaues Meer, in das die steilen, schwarzen Kraterwände stürzen, darauf schneeweiße Häuser und Kirchen mit blauen Kuppeln. Aber da gibt es eben auch jede Menge Touristen, besonders Kreuzfahrer, die im Schnellverfahren "Santorin an einem Tag" absolvieren, der Insel ihren Wohlstand sichern, aber eben auch für Tokioer Verhältnisse, Dieseltouren und kalte Pommes sorgen.

Bleibt zu hoffen, dass Santorin nicht endet, wie es angefangen hat: mit einem großen Knall, in diesem Fall dem touristischen Overkill. Yamas, Prost, sagt Nikos und gibt statt einer Rechnung zwei Ouzo aus. Den meisten Touristen gefällt das, für die EU ist es aber ein riesiges Problem.
Jochen Müssig
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