Frankreich

Das Gold der Provence

Das Ockergebiet bei Rustrel wird auch „Colorado provençal“ genannt.

Der Süden glüht in starken Farben – unterwegs in Frankreichs Ockerland

Wandgemälde bei einem Farbenhändler in Apt. Fotos: cd

"Rotes Delphi" hatte Jean Vilar, der Begründer des Theater-Festivals von Avignon, das Dorf Roussillon einst genannt. Der Ort in der Nähe des Städtchens Apt trägt die Farbe Rot bereits in seinem Namen. Die Fassaden erscheinen wie ein Fest der Farben. Zitronengelb kontrastiert mit tiefem Rosa, Karminrot oder Himmelblau.

Pittoresker kann ein Ort selbst in der an Idyllen reichen Provence nicht sein. Vom kleinen Marktplatz schaut man direkt auf die goldorange geflammte Wand des benachbarten Ockerfelsens. Gegen Eintritt kann man auf dem "Sentier des Ocres" zwischen Steilwänden wandern.

Noch weiträumiger ist das unweit bei Rustrel gelegene Ockergebiet im so genannten "Colorado provençal". Eine ganze Landschaft scheint hier von den farbigen Formationen geprägt, die sich "Sahara" oder "Kamine der Feen" nennen. An manchen Stellen wähnt man sich in Afrika oder Australien, so exotisch erscheint diese farbenfroh glühende Wüste mit ihren bizarren Schründen.

Bereits seit 1930 steht der Colorado unter Naturschutz. Seine Ockerformationen sind die Hinterlassenschaft intensiver Ausbeutung und klassisches Beispiel für eine durch menschliches Wirken gestaltete Kulturlandschaft. Ocker ist nichts anderes als eine Mischung aus Ton und eisenoxidhaltigem Sand, gebildet aus den Sedimenten eines urzeitlichen Meeres. In der Regel liegt der Ockeranteil in solchen Formationen bei zehn Prozent. Hier im Vaucluse jedoch steigt der Anteil des Pigments auf bis zu 70 Prozent.

Seit der französischen Revolution baute man den Farbstoff ab. In der Blütezeit im 19. Jahrhundert lebte jede zweite Familie in der Region vom Ocker. Als Apt 1877 an die Bahnlinie angeschlossen wurde, ging der Handel von hier aus bis Buenos Aires, Kairo und Tanger. Um 1930 setzte mit der Erfindung der Chemiefarben der Niedergang ein. 40.000 Tonnen Ocker wurden zu Boom-Zeiten kurz nach dem 1. Weltkrieg abgebaut. Ganze 1.200 Tonnen waren es noch im vergangenen Jahr, denn nur noch ein einziger Ockerbruch wird heute ausgebeutet.

Bereits 1937 wurde die Arbeit in der Mine von Bruoux bei Gargas eingestellt. Seit 2009 ist die Mine nun dem Publikum zugänglich. Freilich können von den rund vierzig Kilometern unterirdischer Galerien und Gänge nur 650 Meter besichtigt werden. Eindrucksvoll ist der Besuch der kühl-feuchten Kathedrale des Ockers mit ihren hohen Gewölben dennoch.

"Man nannte die Ockerarbeiter auch 'Indianer', denn ihre Haut war von dem Erdstaub regelrecht durchdrungen. Wenn sie am Wochenende zum Tanzvergnügen gingen, schwitzen sie nach kurzer Zeit die Hemden gelb", erklärt Dominique Peressinotti von Okhra, einer Gesellschaft, die sich die Vermittlung der Ockertradition in der Provence zum Ziel gesetzt hat.

Ihr Hauptsitz in der "Usine Mathieu" bei Roussillon ist Industriemuseum, Galerie und Werkstatt in einem. Wer will, kann hier Kurse buchen, um das Gestalten mit Farben zu lernen. Denn in letzter Zeit besinnt man sich mehr und mehr auf die unnachahmliche Patina und Transparenz der natürlichen Pigmente. Wer etwas auf sich hält, bringt wieder echten Ocker auf die Wände.
Claudia Diemar
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