Spanien

Die Gnade des späten Anfangs

Immer hereinspaziert in den Nationalpark Albufera des Grau mit seiner großen Süßwasserlagune. Foto: sl

Menorcas sanfter Tourismus

An klaren Tagen können die Menorquiner hinüber zur großen Schwester Mallorca schauen. Dorthin, wo jedes Jahr unzählige Touristen die Strände bevölkern und so der Insel schon seit Jahrzehnten zu einem gewissen Reichtum verhelfen.

Der Blick mag manchmal sehnsuchtsvoll, häufig genug aber auch voller Erleichterung sein. Denn riesige Hotelklötze, wie sie Mallorcas Küsten verschandeln, gibt es auf Menorca kaum. Lediglich eine Handvoll Häuser sind mehr als acht Stockwerke hoch, und auch die sollen mit der Zeit zurückgebaut werden. Die Menorquiner haben von ihren Nachbarn gelernt, Fehler zu vermeiden, und ihren ganz eigenen Weg im Tourismus gefunden.

Ein gutes Beispiel für die gelebte Nachhaltigkeit ist der Nationalpark Albufera des Grau, ein paar Kilometer nördlich der Inselhauptstadt Mahon gelegen. Hier sollte im Jahr 1975 eine riesige Hotelanlage entstehen, doch nach Protesten der Inselbewohner wurde das Projekt wieder gestoppt - und das, obwohl der dazugehörige Golfplatz schon eingeweiht worden war. Der Golfplatz wurde wieder der Natur übergeben, heute wandern Schulklassen und Ausflügler durch die zum Naturschutzgebiet erklärte Region. In deren Mitte liegt eine 70 Hektar große Süßwasserlagune, umgeben von Kiefern- und Wacholderwäldern sowie üppigen Salzwiesen.

Hier kommen sowohl Botaniker als auch Tierliebhaber auf ihre Kosten. Rund hundert Vogelarten lassen sich das ganze Jahr über beobachten, im Winter zählen Flamingos und Eisvögel zu den spektakulärsten Bewohnern des Idylls. Hinweistafeln machen auch weniger naturkundlich bewanderte Besucher auf Besonderheiten in Flora und Fauna aufmerksam. Und wer einfach nur seinen Blick über das satte Grün der Hügel hinunter zum leuchtenden Türkis des Mittelmeeres schweifen lassen möchte, kommt ebenfalls voll auf seine Kosten.

So verwundert es auch nicht, dass die erste Etappe des bekanntesten Wanderweges der Insel, des Cami de Cavalls, von der Inselhauptstadt aus direkt in das Herz des Nationalparks führt. Der Weg verläuft größtenteils über breite Holzstege, die sehr bequem und auch mit leichtem Schuhwerk zu begehen sind.

Ein Handtuch und Badesachen sollten auf jeden Fall im Wandergepäck sein, denn auch einige kleine Buchten mit feinen Sandstränden gehören zum Naturschutzgebiet. Die Einheimischen sind stolz auf ihr Fleckchen unberührte Erde - und darauf, dass neben den ausländischen Touristen auch viele Tagesausflügler von den anderen Baleareninseln ihr kleines Paradies besuchen.

Und wer weiß, vielleicht befindet sich darunter auch der eine oder andere Mallorquiner, der auf dem Heimweg einen sehnsuchtsvollen Blick zurück auf die Insel wirft, die für sich bereits den richtigen Weg im Tourismus gefunden hat.
Susanne Layh
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