Deutschland

Bodden und Moore

In den Küstengewässern können die Flussreisenden Seeluft schnuppern.

Mit dem Flussschiff Frederik Chopin von der Ostsee nach Potsdam

Ein Highlight der Ostee-Route: das Schiffshebewerk Niederfinow. Fotos: aze

Die Ostsee-Boddenlandschaft mit dem Naturpark Unteres Odertal, die Kanäle zur Havel, die Berliner Seen - all das macht die Route von Stralsund nach Potsdam zu einer der abwechslungsreichsten Flusskreuzfahrten in Deutschland. "Ostseeträume" nennt Nicko Tours diese Reise. In diesem Jahr ist der Stuttgarter Veranstalter auf der Strecke von Juni bis Ende August mit zwei Schiffen vertreten: Frederik Chopin und Katharina von Bora.

Strahlend blauer Himmel über Stralsund verspricht einen schönen ersten Kreuzfahrttag. Alle Passagiere zieht es aufs Sonnendeck, um das Auslaufen der Frederik Chopin zu beobachten. In die markante Altstadtsilhouette mit den Kirchtürmen und Speicherhäusern schiebt sich der geschwungene Bau des neuen Ozeaneums, das die Besucher zu einer Unterwasserreise durch die nördlichen Meere einlädt. Die alte Hansestadt erstrahlt mit ihrer restaurierten Altstadt, dem Rathaus und Kirchen in schönster Backsteingotik, längst wieder in altem Glanz und darf sich mit dem Weltkulturerbe-Prädikat schmücken.

Durch das recht unruhige Wasser der Boddenlandschaft südlich der Halb?insel Fischland-Darß-Zingst zieht die Frederik Chopin erstaunlich ruhig ihre Bahn. Bodden werden die von Landzungen von der Ostsee abgetrennten Küstengewässer genannt, die nur einen schmalen Zugang zum offenen Meer haben. Hier können die Flusskreuzer auch mal Seeluft schnuppern - die offene See ist ihnen verwehrt, denn dafür sind die Schiffe mit nur rund 1,30 Metern Tiefgang nicht geeignet.

Ein großer Küstenabschnitt steht als Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft unter Schutz. Dort darf die Natur nach Laune walten und gestalten: bei Stürmen an der Küste nagen und anderswo wieder Sand anspülen, Dünen aufbauen und Sandbänke verschieben. So markieren rote und grüne Bojen die immer wieder wechselnde Fahrrinne, durch die Kapitän Frank Behring sein Schiff manövriert. Die Tour "Ostseeträume" zählt gerade wegen der Boddenstrecke zu seinen Lieblingsrouten.

Mit ihrem Wechsel zwischen Steil- und Flachufer, Wiesen, Wäldern, Meer, Binnenwasser und Mooren lockt Fischland-Darß-Zingst seit jeher Künstler an, die in Ahrenshoop eine Künstlerkolonie gründeten. Einige ihrer Werke sind in den Ausstellungen der Künstlerkate zu bewundern. Ahrenshoop, Zingst und Prerow sind längst von alten Fischer- und Seefahrerorten zu Kur- und Ferienorten geworden.

Vom Schiff in die KutscheMalerisch liegt auch die kleine Insel Hiddensee vor ihrer großen Schwester Rügen. Hier steigen die Kreuzfahrer vom Schiff in Pferdekutschen um - dieses idyllische Eiland ist autofrei. Mit zwei PS zuckeln die Kaltblüter zur Ausflugsfahrt über die schmalen Sträßchen. Für Schriftsteller Gerhart Hauptmann war Hiddensee ein Paradies. Auf dem Friedhof von Kloster liegt sein Grab, und in seinem ehemaligen Haus Seedorn ehrt heute ein Museum den Literaten. Wie Ahrenshoop zog auch Hiddensee besonders in den 1920er Jahren Künstler aller Art an.

Das war auf Rügen nicht anders. Wer kennt nicht Caspar David Friedrichs Bild "Kreidefelsen auf Rügen". In der Hochsaison kommt allerdings am berühmtesten Felsen der Kreideküste, dem Königsstuhl, beim Anblick der Besuchermassen wenig Romantik auf. Tipp: Vom Busparkplatz weist ein Schild zur "Victoria-Sicht". In zehn Minuten wandert man durch wunderschönen Buchenwald zum Aussichtspunkt mit Blick auf den Königsstuhl - bei weit weniger Andrang als dort.

Mit Jugendstilcharme und verschnörkelter Bäderarchitektur punkten die so genannten Kaiserbäder auf der nächsten großen Insel, Usedom. In Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin reihen sich Villen und Hotels an die Strandpromenaden. Von der historischen Seebrücke in Ahlbeck führt ein Spaziergang auf der Promenade nach Heringsdorf. Nach so vielen Ausflügen lassen sich auf der langen Fahrt durchs Stettiner Haff die Annehmlichkeiten der Frederik Chopin wieder genießen.

Abschied von der Ostsee. Im deltaähnlichen Gebiet bei Stettin beginnt die Oderfahrt. Im Naturpark Unteres Odertal wähnt man sich auf einem Dschungelfluss: Schilfgürtel säumen die Ufer, Vogelschwärme steigen hoch, und wo der Wald bis ans Wasser reicht, leuchten abgestorbene Bäume wie weiße Gespenster aus dem Dickicht.

Kontrastprogramm dann im Finow-Kanal beim Schiffshebewerk Niederfinow. Voll im Betrieb, und doch schon ein technisches Denkmal, leistet der Fahrstuhl für Schiffe seit 80 Jahren seinen Dienst und hievt die Schiffe in einer großen Wanne 36 Meter nach oben. Nur einen Steinwurf entfernt entsteht zurzeit ein neues hochmodernes Schiffshebewerk, das auch größere Schiffe schleusen kann.

Auf dem Oder-Havel-Kanal geht die Fahrt weiter nach Berlin. Am Tegeler See und am Wannsee zeigt sich die Hauptstadt von ihrer grünsten Seite. Kurz hinter der Glienicker Brücke - in DDR-Zeiten Austauschpunkt für Spione - kommt schon Babelsberg und bald auch Potsdam in Sicht. Der letzte Ausflug führt zum Schloss Sanssouci. Auf der obersten Terrasse sind die sterblichen Überreste des Königs begraben - neben seinen geliebten Windhunden.
Monika Zeller