Frankreich

Beschwipste Engel

Spezialisiert auf edlen Weinbrand: die Stadt Cognac im Westen Frankreichs.

Zu Besuch in der Weinbrand-Hochburg Cognac

„Cognatèque“ in Cognac-Stadt. Fotos: cd

Niemand weiß, was an jenem heißen Sommertag passierte, als Großvater Maurice eine Probe aus dem großen Fass nehmen wollte. Jedenfalls fand man ihn nach langem Suchen ertrunken in Cognac.

Das Chateau de Montifaud in Jarnac-Champagne ist eines der letzten privat geführten Häuser, das sich der Produktion des edlen Weinbrands widmet. Juniorchef Laurent Vallet ist der Urenkel von Maurice, der sein Leben dem Cognac widmete und opferte. Kann sein, dass der alte Mann zu viel von jenem "Anteil der Engel" inhaliert hatte, der aus den Fässern verfliegt, sobald die Sonne auf die Dächer brennt. "Das Departement Charente Maritime hat nach der Cote d'Azur die meisten Sonnenstunden Frankreichs", bestätigt Patronin Catherine Vallet. Sobald der Sommer kommt, schwebt über den Fässern in Kellern und Lagerräumen ein wortwörtlich berauschendes Aroma. "La part des anges" nennen die Cognac-Winzer den verdunsteten Duft. Rund 20 Millionen Liter Cognac lösen sich Jahr für Jahr als Engelsanteil in der Luft auf.

Der Atlantik mit seinen langen Stränden ist ganz nah. Dahinter dehnen sich die Weinfelder in sanften Wellen. Die Rebstöcke stehen in schier endlosem Spalier. Ab und zu unterbricht ein Dorf die gleichmütige Landschaft. Die beiden größten Städte Cognac und Saintes haben zusammen gerade mal 50.000 Einwohner. Cognac wäre tiefste französische Provinz, wenn nicht zwei Dinge die Region adeln würden: Die Nähe zum Ozean mit seinen maritimen Genüssen sowie die überaus geistreiche Produktion der hiesigen Winzer.

Alles im Cognac dreht sich um den Cognac, jenen bernsteinfarbenen Weinbrand, der zuweilen in kostbare Kristallkaraffen abgefüllt wird, für die Connaisseure schon mal mehrere Tausend Euro anlegen. Und das, obwohl die dafür gereiften Trauben kaum zu Tafelwein taugen. Ugni blanc oder andernorts Trebbiano heißt die Sorte, die hier gedeiht. Was man braucht, um aus sauren Trauben geistreiche Tropfen zu machen? Vor allem einen kalkhaltigen Boden. Nach der Gärung wird der Wein zweifach destilliert. Mit rund 70 Prozent verschwindet das Destillat schließlich in den Fässern. Das Holz erzieht den ungebärdigen Brand zu einem guten Tropfen, gibt ihm das komplexe Aroma und die sanfte Farbe zwischen hellem Gold und tiefem Amber.

Dann ist die Stunde des Kellermeisters gekommen. Wie ein Alchimist mischt er verschiedene Lagen und Jahrgänge und komponiert ein "Bouquet" an Aromen. Kein Wunder, dass mancher Cognac teurer ist als ein Luxusparfum. Denn erst im Alter von dreißig bis siebzig Jahren sei ein Cognac in Hochform, sagen Kenner. Dann schimmert er goldbraun, duftet nach Trockenfrüchten, exotischem Obst, Orangenblüten und Muskatnüssen. Jetzt erst wandert er in Flaschen oder Karaffen aus Glas. Von da an altert er nicht mehr. "Ein 1914er, der 1984 abgefüllt wurde, bleibt für immer siebzig Jahre alt", erklärt Anais Breham vom Cognac-Haus Ferrand. Bei Remy Martin wacht Kellermeisterin Pierrette Trichet seit 2005 über die Geschicke der geistreichen Produkte. Die kostbarsten Tropfen werden stets im "Paradies" aufbewahrt, der letzten Ecke im Keller, der meist zur Sicherheit ein Gitter vorgesetzt ist.

Lange galt Cognac als Altherrentrunk. Das hat sich gründlich geändert seit US-Rapper ihn zum Kultgesöff adelten. Seither ist cool, jenseits des großen Teichs einen "Henny" oder "Yak" zu bestellen. Und vielleicht lässt irgendwann ein Ghetto-King sein Herz in Cognac einlegen wie einst Chopin. Es hält sich bis heute gut darin. Infos: www.tourism-cognac.com.
Claudia Diemar
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