Frankreich

Eine Stadt in den Startlöchern

Blick auf den alten Hafen von Marseille.

Marseille: 2013 ist die französische Mittelmeermetropole eine der Kulturhauptstädte Europas

Auf dem Fischmarkt kann man die Zutaten für die Spezialität der Stadt erwerben: die köstliche Felsenfischsuppe Bouillabaisse. Fotos: cd

Von wegen südländischer Schlendrian! Überall wird gearbeitet. Plätze neu gestaltet, Pflaster gelegt, Fassadenelemente in die Höhe gezogen. Marseille bereitet sich auf das Jahr 2013 vor. Die älteste Stadt Frankreichs dehnt sich wie das Meer, verstreut ihre 850 000 Einwohner auf eine Fläche, die doppelt so groß ist wie Paris. Marseille zählt 16 Bezirke und genau 111 Viertel, die man hier auch "Dörfer" zu nennen pflegt. Marseille war schon immer faszinierend, trotz seines stets leicht anrüchigen Rufs. Jetzt hat die Stadt Großes vor. 2013 wird sie Kulturhauptstadt Europas sein, zusammen mit dem slowakischen Kosice.

Die Kirche Notre Dame de la Garde wacht hoch über der Stadt. Der Blick hinunter auf Meer und Metropole ist atemberaubend. Aus dem Häusergewürfel ragen zu Dutzenden Kräne auf, tanzen das Ballett der Technik auf eine glanzvolle Zukunft. Sie drehen sich da, wo sich noch vor Jahren herunter gekommene Industrieanlagen, Gleissträngen, Hafendocks dehnten. Nur das Marseille östlich vom alten Hafen war eine Stadt, die sich ans Mittelmeer schmiegte. Jetzt wird auch die Westseite geöffnet. Euromediterranée heißt das anspruchsvolle Projekt, Herzstück der Veränderungen, die mit der Kulturhauptstadtwürde einhergehen.

Im einstigen Niemandsland des alten Güterbahnhofs und altem Handelshafens werden auf 480 Hektar Fläche moderne Bürokomplexe mit 25 000 Arbeitsplätzen angesiedelt. Dazu kommen Promenaden am Wasser und Museen wie das seit langem geplante Musée des Civilisations d'Europe et de Méditerranée, das erste nationale Museum außerhalb von Paris.

Ähnlich wie Barcelona, das sich für die Olympiade 1992 radikal veränderte und dem Wasser zuwandte, wird auch Marseille ein ganz neues Gesicht erhalten. Allein die Liste der Architekten ist beeindruckend. Das elegante Hochhaus von Zaha Hadid steht bereits. Stars wie Frank Gehry, Norman Foster und Jean Nouvel werden mit neuen Gebäuden vertreten sein. Rund 400 verschiedene kulturelle Events mit einem Budget von fast 100 Millionen Euro sind im Rahmen der Kulturhauptstadtwürde geplant. Hinzu kommen langfristige Infrastrukturprojekte und der Bau von 14.000 neuen Wohnhäusern mit nachhaltiger Technik als Erweiterung des Stadtteils La Joliette.

Der Gigantismus des Vorhabens "Marseille-Provence 2013" schließt zudem weitere fünf Dutzend Standorte im Umland ein und benachbarten Städten ein. Doch manche Vorhaben sind ganz konkret und ihr Reiz liegt im Überschaubaren. Sechzig Firmen haben sechzig Künstler adoptiert, um ihnen eine Plattform für ihre Werke zu bieten. Stadtteile sind samt ihrer Bewohner in kreative Aktionen direkt eingebunden.

Vermutlich werden nicht alle Projekte von Marseille-Provence 2013 rechtzeitig fertig gestellt sein. Aber das macht nichts. Denn so erlebt man eine Stadt im Umbruch. Und die Metropole am Meer ist ohnehin schon jetzt ein Kulturstadt, ein Ort der Begegnung an der Nahtstelle zwischen Europa und Afrika. Man braucht nur auf einen der Märkte zu gehen, um zu erleben, dass sich hier die halbe Welt trifft.

Die köstliche Felsenfischsuppe Bouillabaisse ist die Spezialität vor Ort. Aber eigentlich ist ganz Marseille eine Bouillabaisse, ein buntes Durcheinander der Kulturen. Kurz nach Sonnenuntergang zieht Marseille die Abendrobe der blauen Stunde an und spiegelt sich im Rechteck des Hafenbeckens. Rund um den Vieux Port gehen die Lichter an, schimmern doppelt, zu Lande und zu Wasser. Marseille beginnt zu funkeln. Es ist Zeit, dem Charme der Mittelmeerschönen bei einem Pastis zu erliegen. Infos unter www.marseille-tourisme.com und unter www.marseille-provence2013.fr.
Claudia Diemar
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