Portugal

Madeira: Kein Regenbogen ohne Regen

Die spektakuläre Felsküste Madeiras im Abendlicht

Wer sich auf der Insel vom Wetter leiten lässt, macht nichts verkehrt

In Porto Moniz im Nordwesten Madeiras zeigt die Natur an windigen Tagen ein schäumendes Spektakel

Guide Ricardo Carvalho vom Anbieter Mountain Expedition kennt die schönsten Ecken der Insel. Fotos: sl

Eiskalter Regen, der zwischen den Schulterblättern die Wirbelsäule hinunterläuft, ist nichts Schönes. Aber auch nichts, was sich an einem Tag wie diesem verhindern lässt. Es ist November auf der Blumeninsel Madeira und anstelle von Blumen sieht man nur eine graue Wand aus unfassbar viel Wasser und Nebel. Geplant war eigentlich eine Jeeptour quer über die Insel mit einer spektakulären Wanderung zu 25 Wasserfällen.

Die Wanderung ist nach eineinhalb Minuten beendet. Eine Minute lang haben wir uns in voller Regenmontur im Nieselregen vom Jeep entfernt, eine halbe Minute sind wir durch einen apokalyptischen Wolkenbruch wieder dorthin zurückgesprintet. Die 25 Wasserfälle kommen nun aus den Schuhen, der Kapuze, dem Rucksack und den Hosenbeinen. Was jetzt?

„Jetzt trinken wir erst mal einen Kaffee und dann fahren wir dahin, wo die Sonne scheint“, sagt Fahrer und Guide Ricardo Carvalho und zückt sein Smartphone. Sein Kollege in der Zentrale von Mountain Expedition hat den Wetterdienst auf dem Bildschirm und schickt uns durch jahrhundertealte Lorbeerwälder und über eine Serpentinenstraße etwa 20 Kilometer weiter nach Porto Moniz, an den nordwestlichen Zipfel Madeiras. Und siehe da: Auf halber Strecke knipst tatsächlich jemand oben im Himmel das Licht an, was in Kombination mit den schwarzen Wolken hinter uns und dem blitzblauen Atlantik vor uns ein spektakuläres Farbspiel ergibt. Und wie es auf Madeira so häufig der Fall ist, leuchtet in der Ferne auch noch ein Regenbogen.

„Dass es auf der gesamten Insel einen ganzen Tag lang regnet, gibt es so gut wie nicht“, sagt Ricardo. „Irgendwo findet sich immer ein Fleckchen mit gutem Wetter – man muss es nur finden.“ Grund für die verschiedenen Mikroklimata auf Madeira sind die vielen Berge, der häufige Niederschlag und der Wind, der den Regen mal in die eine, mal in die andere Richtung pustet.

In Porto Moniz zeigt die Natur dann erneut, was sie kann. Diesmal bleiben die Wassermassen aber da, wo sie nach Ansicht der Touristen hingehören, nämlich im Meer. Dank des kräftigen Windes bilden sich imposante Wellen, die schäumend an den schwarzen Felsen zerschellen und meterhohe Fontänen in die Höhe schießen. Bei ruhigerem Wetter sitzen hier Einheimische und Touristen in den Natursteinbecken und schauen sich das Spektakel aus Meereshöhe an. Nicht ganz verkehrt ist es aber auch, etwas oberhalb auf einer Terrasse Platz zu nehmen und aus einer gusseisernen Pfanne in reichlich Öl und Knoblauch gebratene Muscheln zu essen.

Mittlerweile sieht das Wetter so gut aus, dass wir uns erneut an eine Wanderung herantrauen. Der Jeep rumpelt uns wieder ein Stück die Berge hinauf zur Levada da Moinho. Levadas sind künstlich angelegte Wasserrinnen, die das Regenwasser aus den Bergen in die tiefer gelegenen Regionen transportieren. Neben fast allen verlaufen schmale Pfade, die größtenteils als Wanderwege markiert sind.

Hier zeigt sich erneut die Vielfalt Madeiras. Waren wir noch ein paar Minuten vorher an einer sturmumtosten Felsküste, laufen wir nun durch eine urwaldartige Vegetation mit mannshohen Farnen und Lorbeerbäumen, deren Kronen sich über uns zu einem Tunnel zusammenbiegen. Am helllichten Tag ist es hier schummrig-düster und außer dem gemächlichen Gurgeln der Levada und dem schmatzenden Geräusch unserer Wanderstiefel im feuchten Untergrund fast völlig still.

Am späten Nachmittag ist es dann Zeit, sich ganz in den Westen der Blumeninsel aufzumachen. Zum Ponta do Pargo, wo sich die Sonne für den heutigen Tag mit einem letzten orange-roten Schauspiel in den Atlantik verabschiedet. Wo sie sich am kommenden Tag wieder zeigen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Aber wie formuliert es Ricardo Carvalho so schön: „Wer sich auf Madeira flexibel vom Wetter leiten lässt, entdeckt garantiert tolle Ecken, die er so vorher gar nicht auf der Liste hatte. Denn schön ist es wirklich überall.“

Susanne Layh
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