Kreuzfahrten

Kig Ha Farz und kleine Häfen

Das 2021 in Dienst gestellte Suiten-Schiff Silver Moon fasst 596 Passagiere. Foto: ck

Das 2021 in Dienst gestellte Suiten-Schiff Silver Moon fasst 596 Passagiere. Foto: ck

Silversea: Mit der Silver Moon entlang der Küsten Westeuropas

Die Deluxe Veranda Suite mit Balkon misst 36 Quadratmeter. Foto: ck

Die Deluxe Veranda Suite mit Balkon misst 36 Quadratmeter. Foto: ck

Der Pool wird am Tag von Liegen und gegen Abend von Restaurant-Tischen flankiert. Foto: ck

Der Pool wird am Tag von Liegen und gegen Abend von Restaurant-Tischen flankiert. Foto: ck

Die Erwartungshaltung bei der Einschiffung ist ausgesprochen hoch. Schließlich stuft Silversea sich als Ultra-Luxusprodukt ein. Gut 500 Euro Tagesrate ruft die Reederei für diese zweiwöchige Kreuzfahrt von Southampton bis nach Lissabon auf – „Port-to-Port“. Der „Door-to-Door“-Tarif inklusive Business-Class-Flügen, Chauffeurservice von Zuhause zum Flughafen sowie Transfer zum Schiff liegt deutlich darüber. Bei beiden Varianten sind als Teil des All-inclusive-Konzepts eine Suite mit Butler-Service, sowie (stabiles und schnelles) W-Lan und Trinkgelder an Bord enthalten. Ein Rundum-Sorglos-Paket vom Feinsten.

Meine „Deluxe Veranda Suite“ auf Deck sechs bietet auf 36 Quadratmetern Wohnfläche einen abtrennbaren Wohn- und Schlafbereich mit Queensize-Bett, Sofa und Sessel, einen begehbaren Kleiderschrank, ein in Marmor gehaltenes Badezimmer mit Badewanne und Duschkabine, sowie einen Balkon und eine Minibar.

Wenn es an irgendetwas fehle, möge ich es ihn jederzeit gerne wissen lassen, bietet bei der Begrüßung Butler Jeremy seine Dienste an. Die Minibar, sagt er, sei für sein Empfinden leer, sagt er augenzwinkernd. Dabei stehen Soda, Bier und Softdrinks darin. Mein Wunsch, einen Orangensaft für den nächsten Morgen zu ergänzen, wird kurz darauf übererfüllt: Bis zum Ende dieser 14-tägigen Reise wird an jedem Abend ein Glas frisch gepresster O-Saft, durch Frischhaltefolie geschützt, in dem kleinen Kabinenkühlschrank kaltgestellt.

Unsere Route mit der Silver Moon führt vom englischen Southampton über die französischen Häfen Honfleur, Saint-Malo, Montoir-de-Bretagne (Guérande), La Pallice (La Rochelle) und Bordeaux in die spanischen Städte Bilbao und Vigo sowie schließlich nach Portugal mit Porto und dem Ausschiffungshafen Lissabon. 596 Passagiere fasst das 2021 in Dienst 
gestellte Luxusschiff eigentlich – gut 500 sind es auf dieser Tour. Das Publikum besteht überwiegend aus Best-Agern und bestens situierten Senioren. Das Gros der Gäste kommt aus den USA, viele aus Großbritannien und knapp ein Dutzend aus Deutschland.

Silversea spricht jene Kunden an, die Luxuskreuzfahrten mit internationalem Publikum schätzen, kulturinteressiert sind und auch kulinarisch gerne über den Tellerrand schauen. So ist die Silver Moon das erste Silversea-Schiff, auf dem das Kulinarik-Konzept SALT eingeführt wurde. Die Abkürzung steht für „Sea and Land Taste“ und bringt regionale Rezepte der jeweiligen Route in das beliebteste der acht Restaurants an Bord: das SALT.

Restaurant mit regionaler Küche

So koste ich dort nach einem Tagesausflug in Saint-Malo in der Bretagne zum Dinner den bretonischen Bauerneintopf Kig Ha Farz. Und in der SALT Bar nebenan einen Cocktail mit einer Calvados-Komponente. Im ebenfalls benachbarten Kochstudio können Gäste lernen, kleine regionale Gerichte selbst zuzubereiten. Nach dem Landgang in Porto etwa Caldo Verde, eine portugiesische Gemüsesuppe, und Bifanas, Sandwiches mit gebratenem Fleisch. Köchin und Gastgeberin Carolina, die aus Portugal stammt, rät Hobbyköchen, sich frühzeitig einen Platz im Kochstudio zu reservieren – die Nachfrage ist enorm. „Zu Beginn der Reise gilt first come, first serve – später werden diejenigen Gäste vorgezogen, die bis dato noch keinen Platz bekommen haben“, sagt Carolina.

Die Teilnahme am SALT Lab ist gratis, und im namengebenden Spezialitätenrestaurant nebenan speist der Gast ohne Aufpreis. Es ist zudem eines von zwei Restaurants mit Open Seating – neben dem Atlantide. In allen anderen muss vorab über Mysilversea.com oder via Kabinen-TV reserviert werden – was insbesondere für die ersten Tage der Reise ratsam ist! Nur zwei der Spezialitätenrestaurants an Bord der Silver Moon sind aufpreispflichtig: das kleine japanische Restaurant Kaiseki (30 US-Dollar) und der superbe Franzose „La Dame“ (60 US-Dollar).

In gleich drei Restaurants kann man im Freien speisen: im beliebten italienischen La Terrazza am Heck, im The Grill auf dem Pooldeck – wo sich der Gast zum Dinner sein Steak optional auf einem heißen Stein am Tisch grillen lassen kann –, und wer einfach mal nur eine frische Steinofen-Pizza essen möchte, kann dies im legeren Spaccanapoli oberhalb des Pooldecks tun.

Der allgemeine Dresscode für den Abend steht jeweils im Tagesprogramm: manchmal Casual, meistens Informal (Kleid oder Hosenanzug für Damen, Jackett für Herren) oder Formal (Cocktail-Kleider oder Hosenanzug für Damen, Smoking, Dinner-Jackett oder dunkler Anzug mit Krawatte für Herren). Abgesehen von den formellen Abenden – von denen es bei dieser 14-tägigen Tour nur zwei gab – fällt die allgemeine Abendgarderobe nicht so hochgestochen aus wie die Bildsprache im Katalog es vermittelt. Silversea ist legerer als erwartet.

Zeitloses Interieur

Auch das Interieur an Bord des Luxusschiffes ist vielmehr von zurückhaltender zeitloser Eleganz: dezente Naturtöne prägen die Suiten und öffentlichen Bereiche – mintgrüne Polstermöbel um die große kreisrunde Bar der weitläufigen Dolce-Vita-Lounge sind schon das Gewagteste.

An ihrem Eingang befindet sich das Büro von Hoteldirektor Daniele Franco, den ich zu einem Gespräch treffe. Was Silversea besser mache als die Wettbewerber im 
Luxussegment, frage ich ihn. Die Antwort kommt prompt: Da seien zum einen „das intensive Destinationserlebnis“, außerdem der Door-to-Door-Service, und im F&B-Bereich werde Silversea den Ansprüchen mehr als gerecht. Fünfeinhalb Sterne würde Franco „seinem“ schwimmenden Hotel verleihen, wäre es eines an Land.

Aufgrund der genannten Punkte und auch wegen Details wie dem opulenten Arrangement an frischen Blumen, das vor seiner Tür am Gang zur Rezeption das Auge der Gäste erfreut. Eine Kleinigkeit zwar, aber exemplarisch für den Kurs der Reederei, so Franco: Royal Caribbean Cruise Line habe nach der Übernahme von Silversea 2018 nicht das Budget gekürzt – „ganz im Gegenteil“, versichert der Hoteldirektor, der seit 14 Jahren im Unternehmen ist. Und in der zunehmenden Größe der Schiffe sieht er keinen Widerspruch zum Luxusanspruch. Auch auf diesem Schiff für 596 Gäste bleibe die „Intimität bewahrt“ und auch das Passagier-Crew-Verhältnis von 1:1,4 „exakt so wie auf unseren kleinen Schiffen“.

Faire Folgereisebuchungen

Seinem Büro gegenüber liegt das Bord-Reisebüro, in dem Future Cruise Manager Marcello Mello fast pausenlos Kundentermine hat – acht Stunden am Tag. In der Regel bucht ein Viertel der Passagiere an Bord bereits eine Folgereise mit Silversea. „Wir kennen die Schiffe natürlich sehr gut“, nennt Mello einen Beratungsvorteil. Ein anderer sind fünf Prozent Preisnachlass, der noch dazu mit aktuellen Promotions kombinierbar ist. Das lockt ihm zufolge viele Kunden.

Die Provision aber gehe „direkt an das Reisebüro des Gastes, und nach der Buchung haben wir keinen Kontakt mehr zum Kunden“, betont er. Das bestätigt eine Mitreisende, die beim Frühstück erzählt, am Nachmittag eine Spitzbergen-Expedition buchen zu wollen. Es wird ihre vierte Silversea-Reise und die erste, die sie an Bord bucht. „Unser Reisebüro profitiert dabei auch“, weiß sie, „dessen Name steht direkt schon im Angebot“.

60 Prozent der Gäste dieser Westeuropa-Reise sind Wiederholer, sagt Hotelchef Franco. Und es würden generell immer mehr. Produktqualität und Kundenzufriedenheit bemessen sich nicht unbedingt im oft bemühten Net Promoter Score (NPS), sondern letztlich in der Repeater-Quote.

Eine Überraschung hielt die Reise gegen Ende noch bereit: Kreuzfahrtdirektor John Paul Almon, den Hotelchef Daniele Franco vorab vage als „berühmten Mann“ bezeichnete, erwies sich bei einem Bühnenauftritt als Broadway-Sänger! Und erntete viel Applaus. Wohl dem, der einen heimlichen Star als Cruise Director hat.

Christofer Knaak