USA

Gletschereis im Bärenland

Alaska: Die Region um Anchorage bietet tolle Naturerlebnisse

Den ganzen Fuß aufsetzen und fest ins Eis stampfen!“ Henry macht es vor. Sieht ganz einfach aus. „Kleine Schritte, die Fußspitze etwas nach außen drehen und ganz wichtig: Immer die Knie gebeugt halten.“

Im Gänsemarsch bewegen sich die zehn Wanderer hintereinander aufs Eis. Es geht steil bergauf – hinein in den Gletscher. Die etwa zwei Zentimeter langen Stahlkrampen unter den knöchelhohen Wanderschuhen bohren sich in die spiegelglatte Fläche. Auch die Wanderstöcke sind für sicheren Halt mit einer Metallspitze versehen.

Henry führt die Gruppe im Zickzack durch das unwegsame Gelände. Der Guide ist fast jeden Tag auf dem Exit Glacier im Kenai Fjords National Park unterwegs, kennt alle Gletscherspalten und den sichersten Weg hinauf. Grelles Weiß und reine Luft
Zweieinhalb Stunden dauert der Aufstieg zum Exit Glacier, auf einem schmalen Pfad, der sich vom Eingang des Nationalparks steil bergauf windet. Auch hier sind die Wanderstöcke unentbehrlich, denn es geht zum Teil über Geröll, am Schluss sogar über einen völlig unbefestigten Trampelpfad mit querliegenden Baumstämmen durchs Gestrüpp.

„Kondition braucht man, es ist ein anspruchsvoller Weg hier hoch“, sagt Henry – leider erst am Etappenziel, dem Exit Glacier. Er markiert den östlichen Punkt des „Harding Icefield“, des 780 Quadratkilometer großen Gletschergebietes zwischen den Kenai Mountains und dem Golf von Alaska.

Immer wieder kommt die riesige Eisfläche in Sichtweite, sticht in ihrem grellen Weiß aus der grün-grauen Berglandschaft hervor. Darüber strahlend blauer Himmel mit blendender Sonne. Kein einziges Staubkörnchen verschmutzt im Süden Alaskas die Luft, sie scheint beim Atmen sogar leichter in die Lungen zu dringen als anderswo. Sie ist so rein und klar, dass auch die weit entfernten Berggipfel ein gestochen scharfes Panorama abgeben.

Kribbeln im Magen
Anblick und Anstrengung sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Gebiet „Bear Country“ ist. Jederzeit könnte man einem Braunbären gegenüberstehen – für diesen Fall gibt es am Eingang des Naturschutzgebietes Hinweistafeln mit Verhaltensvorschriften: zum Beispiel, sich beim Wandern zu unterhalten, damit man sich nicht an einen Bären anschleicht und ihn überrascht. Wohl deshalb plaudern die drei Guides über Pflanzen- und Tierwelt. „Immer die Umgebung beobachten“, lautet der Warnhinweis. „Bären begegnet man hier ständig.“

Doch die Raubtiere sind vergessen, sobald die Schritte im Eis knirschen. Überall plätschern winzige Rinnsale, Tauwasser, das sich seinen Weg bergab bahnt. Immer wieder tauchen knallblaue Flächen auf – Eis in seiner reinsten Form. Daraus bestehen auch die Wände der metertiefen Spalten, an denen es wie auf Stegen vorübergeht, die manchmal kaum breiter als ein Meter sind. Dann kribbelt es ein wenig im Magen, die Füße treten noch fester auf, um bloß nicht abzurutschen. Doch das Erlebnis, auf einem Gletscher zu stehen, einem Relikt aus der Eiszeit und Teil der weltweit letzten Süßwasserspeicher, ist etwas ganz Besonderes.

Daniela Kebel

Eisiger Nationalpark
Der Exit-Gletscher ist rund sechs Kilometer lang und gehört zum Harding Icefield der Kenai Mountains. Dieses Eisfeld umschließt den 1.600 Meter hohen Kenai-Berg komplett, und verläuft in Form von Gletschern in den Golf von Alaska. Der Kenai Fjords National Park wurde 1980 gegründet und ist mit 2.680 Quadratkilometern einer der kleinsten Alaskas. Eisfläche und angrenzende Gletscher sind etwa 1.770 Quadrat‧kilometer groß. Weitere Infos: www.nps.gov/kefj.

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