Singapur

Singapur: Auf den Spuren der Peranakan

Die ureigene Mischkultur des Stadtstaates erfreut Auge und Gaumen

Chin Mee Chin Confectionary klingt wie ein Süßwarenladen und ist eingerichtet wie ein verlassenes Schwimmbad: Gekachelte Wände und Böden, Resopaltische mit abgewetzten Holzstühlen vor Metallschränken und im Hintergrund ein klappernder Ventilator. Einen interessanten Ausblick haben die Gäste aber allemal, denn das Restaurant geht nahtlos in die Küche über. 

Alles in allem ist Chin Mee Chin kein Kandidat für den nächsten Innenarchitekturpreis. Dem Kundenandrang tut dies keinen Abbruch. Niemand kommt hierher, um an die Wände zu schauen – die Gäste blicken eher verzückt auf ihre Teller: Toast mit Kaya gibt es dort, eine Art Kokosmarmelade, dazu pappsüßer Kopi-Kaffee und als Nachtisch Egg-Tarts: Das klassische Peranakan-Frühstück. Und Chin Mee Chin an der East Coast Road ist seit Jahrzehnten die Ikone dieser kulinarischen Disziplin. 

Schuld ist der Monsun

Nicht ganz zufällig liegt das kleine Restaurant mitten in Katong, wahrscheinlich Singapurs am meisten unterschätztes Stadtviertel. Stilistisch passt es sich der Umgebung wunderbar an: Zuckersüß wie das Frühstück sind die Shophouses in den umliegenden Straßen. Rosa, Lila, Gelb und Grün wechseln sich vor dem blauen Tropenhimmel ab, immer dick verziert und im bunten Farbenmix, dazu rote Laternen und fette Messingbeschläge. 

Ihre Erbauer, die Kaufleute der Peranakan, waren offensichtlich nicht nur wohlhabend, sondern auch ohne jedes Faible für Understatement. Diese chinesisch-malaiische Mischkultur, typisch für Singapur sowie Malakka und Penang in Malaysia, lässt sich auf chinesische Händler des 15. Jahrhunderts zurückführen, die mit dem Wintermonsun auf die Malaiische Halbinsel kamen und für die Rückfahrt auf den Sommermonsun warteten oder gleich ganz übersiedelten. Im 19. Jahrhundert erhielt die Peranakan-Gemeinschaft noch einmal ordentlich Nachschub, als chinesische Arbeiter zu Tausenden nach Malaysia emigrierten.

Scharfes Tuning

Ihr kulturelles Ergebnis ist in Katong, vor allem in Joo Chiat, allgegenwärtig: Nicht nur bunte Häuser zeichneten die Peranakan aus, sondern auch ein ganz eigener Kleiderstil, verspielte Accessoires und natürlich eine neue Sprache, das Baba Malay. 

Auch in der Küche entwickelten sie eine eigene Kultur, denn die chinesischen Gerichte der Ehemänner erfuhren unter den Händen der malaiischen Frauen noch einmal eine Art Gewürz-Tuning: Schärfer, vielfältiger, teils mit neuen Zutaten, die es in China schon aus klimatischen Gründen nicht geben konnte. 

Feinschmecker wissen es zu schätzen, dass gerade dieser Teil der Peranakan-Kultur in Singapur gepflegt wird. Nicht nur in Katong, auch anderswo in der Stadt gehören die Peranakan-Restaurants zu den besten der Stadt. Wer im Blue Ginger in Chinatown noch einen Tisch erwischen will, muss früh kommen oder gleich reservieren. Zur Belohnung gibt es dann vielleicht Buak Keluak: Die schwarze Nuss, deren Zubereitung sich über Tage hinzieht und die optisch ein wenig an Gulli-Schlamm erinnert, verzückt auch professionelle Kritiker. 

Francoise Hauser
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