Verkehr

DB-Agenturen: Corona beschleunigt den Sinkflug

Seit Corona mehr denn je: Der Agenturvertrieb spielt bei der Bahn nur noch eine untergeordnete Rolle

Seit Corona mehr denn je: Der Agenturvertrieb spielt bei der Bahn nur noch eine untergeordnete Rolle. Foto: ollo/istockphoto

Der Ticket-Verkauf über Reisebüros macht schon seit Jahren nur noch einen kleinen Anteil am Vertriebsumsatz der Deutschen Bahn aus. Im Corona-Krisenjahr 2020 hat sich der Abwärtstrend aber nochmal verschärft. Das geht aus aktuellen Zahlen des DB-Konzerns hervor, die touristik aktuell exklusiv zur Verfügung gestellt wurden.

Danach erzielten Agenturen mit DB-Lizenz im vergangenen Jahr nur noch fünf Prozent des Umsatzvolumens, das bei rund 4,9 Milliarden Euro lag. 2019 betrug die Quote noch 6,9 Prozent, also über ein Viertel mehr.

Überproportionales Umsatzminus

Auch bei fast allen anderen Verkaufskanälen der DB Vertrieb GmbH waren die Zahlen rückläufig, wenngleich nicht in diesem Ausmaß: So sank selbst beim Direktvertrieb über Website und Mobilgeräte – seit Jahren mit Abstand die größten Umsatzbringer – der Anteil leicht von 48 auf 46,1 Prozent. Einzig die Abo-Fahrscheine waren offenbar weniger von der Corona-Krise betroffen: Der Vertriebsweg Abocenter steigerte sich von sieben auf fast zwölf Prozent.

Bei diesem starken Minus ist es kein Wunder, dass auch die Einnahmen am Counter überproportional zurückgingen. Während der Gesamtumsatz bei DB Vertrieb – 2019 mit über neun Milliarden Euro noch auf Rekordniveau – im letzten Jahr um rund 46 Prozent einbrach, schlug bei den DB-Agenturen sogar ein Minus von 64 Prozent zu Buche. Dabei waren die so genannten Classic-Agenturen, die vor allem Fernverkehrs-Tickets verkaufen, mit fast 70 Prozent stärker betroffen als die Präsenz-Agenturen in oder an Bahnhöfen mit einem hohen Anteil an ÖPNV-Kunden.

Die Bahn sieht keinen Handlungsbedarf

Dass sich die Bahn-Reisebüros schon länger im Sinkflug befinden, zeigt sich auch in den Jahren zuvor. 2017, als die DB das letzte Mal Statistiken dazu veröffentlichte, betrug der Umsatzanteil noch 7,8 Prozent, im Folgejahr war es schon ein halber Prozentpunkt weniger. Auch die Bereitschaft, mit der Bahn zu kooperieren, ließ weiter nach: Vor vier Jahren zählte der Schienenkonzern rund 2.100 DB-Agenturen, 2020 standen nur noch gut 1.700 Partner unter Vertrag.

Anders als diverse Reiseveranstalter, die ihren in der Existenz bedrohten Reisebüro-Partnern mit Modifizierungen der Vergütungskonditionen entgegengekommen sind, sieht die Bahn hier bis heute keinen Handlungsbedarf. „Da in der aktuellen Situation der Umsatz als treibende Kraft einer Vergütung aufgrund der ausbleibenden Fahrgastzahl stark gesunken ist, würde ein angepasster Provisionssatz die wirtschaftliche Situation der Agenturen nicht lindern“, heißt dazu lapidar vom Konzern.

Der Counter ist von diesem Verhalten enttäuscht. „Es wäre ein netter Zug gewesen, wenn die Bahn in dieser schwierigen Situation mal auf uns zugekommen wäre“, sagt ein Bahnreisespezialist, der wegen der Corona-Krise bereits eines von zwei Reisebüros schließen musste. Peter Schneemann, Mitinhaber von GBFR-Reisen in Berlin, wundert dies allerdings nicht. „In der Krise ist die Bahn komplett abgetaucht. Das zeigt einmal mehr: Der Agenturvertrieb hat dort keine Priorität mehr.“

Einen ausführlichen Bericht zu diesem Thema lesen Sie in der neuen Ausgabe von touristik aktuell (ta 23-24/2021), die in dieser Woche erscheint.

 
Thomas Riebesehl
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