Sambia

Kasanka-Nationalpark: Ein tierisches Spektakel

Millionen von Flughunden und Urzeitvögel wie der Schuhschnabel versprechen besondere Safari-Erlebnisse

Die Frühaufsteher starten pünktlich: Bei Sonnenuntergang. Sie erheben sich aus den Bäumen, die unter ihrer tierischen Last den ganzen Tag geächzt haben, und ziehen mit langsamem Flügelschlag in Richtung Horizont. Schwarze Schleier tanzen bald über den Wald, schwere Wolken ziehen über den Himmel. Dann ändert sich die Flugrichtung: Der Schwarm hüllt uns ein. Und die Jäger, eben noch entspannte Beobachter mit dem Fernglas in der Hand, werden zu Gejagten.
 
Zumindest fühlt es sich für eine Schrecksekunde so an. Instinktiv ducken sich alle aus der Gruppe und ziehen den Kopf ein, um auf dem Hochsitz in der Krone eines afrikanischen Mahagonibaums ja nicht gestreift zu werden von den mysteriösen Flatterwesen mit den scharfen Klauen, die verdächtig an Vampirkrallen erinnern. 

Größte Säugetierversammlung der Welt

Doch wer genau hinsieht, erspäht nun in der Nahaufnahme, was da massenhaft die Nacht zum Tage macht: Winzige Fellbündel mit kurzen spitzen Ohren, einer Schnauze wie bei einem Windhund, großen Amphibienaugen. Vor allem aber mit einer durchsichtigen Haut, die von gespensterhaft knochigen Fingerchen zu Flügeln mit einer Spannweite von fast einem Meter aufgespreizt wird. Es sind etliche Millionen Flughunde – die größte Säugetierversammlung der Welt.
Wie ein Wolkenbruch gehen die Tiere zu Beginn der Regenzeit im November über dem Kasanka-Nationalpark nieder und bleiben im Schnitt zehn Wochen in ihrem Schlaraffenland. „Sie sind mobile Fruchtpressen und quetschen Saft aus reifen Früchten“, erklärt Jacob Shawa, ein Guide von Robin Pope Safaris. Der Safariveranstalter betreibt Camps im bekannten Süd-Luangwa-Nationalpark und organisiert Fly-in-Touren in den nur selten besuchten Norden Sambias.

Sumpfiges Mosaik

Dort liegen unweit des Kasanka-Nationalparks auch die Bangweulusümpfe, in denen sich einst David Livingstone verirrte: Ein scheinbar endloses Mosaik aus Tümpeln, Papyrushainen und überschwemmten Wiesen. Mooranti‧lopen und Sassabys weiden in der Ebene. Doch der Star der Show ist ein Vogel: Der Schuhschnabel wird fast eineinhalb Meter groß und hat einen riesigen Schnabel. 
In der Trockenzeit lassen sich die Schuhschnäbel vom Boot aus beobachten. Für uns gilt: Hosen hochkrempeln, Schuhe ausziehen, durch den Schlamm spazieren. Flucht man innerlich, weil der Marsch kein Ende zu nehmen scheint, zeigt der Guide ins kniehohe Gras. „Das ist Kapotwe“, erklärt Jacob Shawa. „Als Küken wurde sie aus einem Nest gestohlen. Man hat sie gefunden und ausgewildert, doch Angst vor Menschen hat sie nicht mehr.“ 
Lange steht die Dame still, um am Ende den Schnabel blitzschnell ins Wasser zu stoßen und einen Wels zu verschlingen. Dann kommt sie Schritt um Schritt auf uns zu. Wir treten den Rückweg an: Wer die Invasion der Flughunde überlebt hat, will auch nicht von einem Schuhschnabel vernascht werden.
Helge Bendl
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