Korea

Korea: Wie am Checkpoint Charlie

Per Fernglas auf die andere Seite schauen.

Per Fernglas auf die andere Seite schauen. Foto: bk

Ein Tagestrip führt Touristen an die Grenze des geteilten Landes

Die fast 250 Kilometer lange Stacheldrahtgrenze zwischen Seoul und Pjöngjang wird immer mehr zur Touristenattraktion. Im Ausland ist das Erbe des Korea-Krieges ohnehin viel bekannter als die traditionellen Highlights, mit denen Veranstalter meist werben: dem Bulguksa-Tempel in Gyeongju oder Seoul mit Nationalmuseum und Changdeok Palast.

Freiheitsbrücke und Gedenkglocke, Stacheldraht und Soldaten: Das lockt die Massen, ob Hauptstädter auf Wochenendausflug oder ausländische Touristen auf Kurzvisite vom Airport aus. Die Korea Tourism Organization (KTO) hat das Potenzial des vier Kilometer breiten Grenzstreifens erkannt: So können auch Stopover-Gäste am Flughafen Incheon eine Bustour in die Entmilitarisierte Zone (Demilitarized Zone/DMZ) buchen. „Darf ich auch mal gucken?“, fragt Mister Brian aus Detroit drei Touristen, die eines der Teleskope auf dem Dora Observatorium umlagern und Nordkorea im Visier haben. Die Chinesen verstehen kein Englisch, lächeln aber und machen Platz. Ein UN-Soldat erläutert den Grenzverlauf. Dieser Aussichtspunkt liegt in der waffenfreien Zone. Zugang ist für Touristen von Südkorea aus mit einer organisierten Bustour möglich. Nach einem langen Blick durchs Teleskop auf Wachtürme, Militär und Häuser in der Ferne sagt der weitgereiste Mann aus den USA: „Nordkoreas Soldaten schauen genau so grimmig wie damals die ostdeutschen am Checkpoint Charlie in Berlin.“ Dann geht es zum Tunnel 3, den Nordkorea „zur Infiltration bauen ließ“, wie der Führer vor der Fahrt mit einem Bähnchen in den Untergrund erzählt. Als er die nordkoreanische Variante schildert, lachen Chinesen, Amerikaner und Südkoreaner vereint: „Keine Sabotage, nur Bergbau, Kohle, daher die pechschwarzen Wände.“ Dabei hatten US-Geologen längst festgestellt, dass es hier keine Kohle gibt. Zur Tarnung seien die Wände schwarz gestrichen worden. Auch Biotope mit seltenen Tieren und Pflanzen, bestellte Felder und Karstland liegen im Grenzstreifen. Einige Bauern leben hier mit Sondergenehmigung. Nach Seoul sind es von der neuen Bahnstation Dorasan 56 Kilometer, nach Pjöngjang 205. Der supermoderne Bahnhof im Grenzgürtel ist für die Zukunft gebaut. Bisher kommen nur ein paar Züge aus Seoul mit Ausflüglern an. Tränen und Gebete gehören ebenso wie Hirsewein und Karussellfahrten zum Grenzausflug im Besucherpark von Imjingak, von dem die Busse in das waffenfreie Gebiet starten. Ein kleines Mädchen nascht glücklich an seiner Zuckerwatte, während die Oma betet und ein wenig weint. Ein Drahttor versperrt den Zugang zur Freedom Bridge, wo früher über 12.000 Gefangene ausgetauscht wurden. Am Eingang hängen Fahnen und Gedenk?bänder für die Toten. Imjingak, das ist ein Ort der Trauer und der Hoffnung auf Wiedervereinigung.
Bernd Kubisch
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